Häufiges, undokumentiertes Rauchen während der Arbeitszeit kann zu einer ordentlichen Kündigung führen

„Erst Ausstempeln, dann anzünden“ lautet die Devise für rauchende Beschäftigte, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten wollen (Landesarbeitsgericht Thüringen, Urteil vom 3. Mai 2023, Aktenzeichen 1 Sa 18/21).

Der Fall

Die Klägerin arbeitet als Arbeitsvermittlerin beim lokalen Jobcenter. Seit 2012 gibt es eine örtliche Dienstvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die Beschäftigten sind danach verpflichtet, für die vorhandenen Arbeitszeitkonten die Arbeitszeit bei jedem Betreten oder Verlassen der Dienstgebäude zu erfassen. Dies gilt auch für Raucherpausen. Im Januar 2019 unterließ es die Klägerin, ihre mehr als 20 Raucherpausen im Arbeitszeitbuchungssystem zu erfassen. Nach Aufforderung zu und erfolgter Stellungnahme sprach die Beklagte die außerordentliche, fristlose Kündigung, hilfsweise fristgerechte Kündigung aus.

Die Klägerin ist unter anderem der Ansicht, es hätte einer vorherigen Abmahnung bedurft. Zudem sei aufgrund der Nikotinsucht anstatt der ausgesprochenen, verhaltensbedingten Kündigung nur eine krankheitsbedingte in Betracht zu ziehen gewesen. Das Arbeitsgericht Suhl hat der Kündigungsschutzklage mit Blick auf die außerordentliche Kündigung stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Danach sei es der Beklagten aufgrund der Einsicht der Klägerin nicht unzumutbar gewesen, die Kündigungsfrist einzuhalten. Jedoch sei das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden. In der Berufungsinstanz, die nur noch über die ordentliche Kündigung zu entscheiden hatte, unterlag die Klägerin.

Die Entscheidung

Das LAG erachtete die ordentliche Kündigung als wirksam. Nach § 1 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eine Kündigung nach ununterbrochenem, sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Nach § 1 Absatz 2 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt ist. Die vorliegende verhaltensbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt. Aufgrund der kontinuierlichen Verstöße der Klägerin gegen die Dokumentationspflichten liege ein schwerer Grund nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Form des Arbeitszeitbetrugs vor. Die Klägerin beging die Verstöße vorsätzlich. Ihre Kenntnis über diese Pflicht ergibt sich aus der 2018 geleisteten Unterschrift zur Belehrung der Erfassung der Buchung von Pausenzeiten. Ferner sei der allgemeine Hinweis auf Nikotinsucht irrelevant, da bereits die Klägerin keinen Vortrag dahingehend bietet, dass diese sie daran gehindert habe, ordnungsgemäß ihre Arbeitszeit zu erfassen. Die Klägerin belastet auch die strafrechtliche Relevanz des Arbeitszeitbetrugs. Durch den Arbeitszeitbetrug habe die Klägerin den von Seiten der Beklagten durch Bereitstellung des flexiblen Arbeitszeitmodells systematisch erteilten Vertrauensvorschuss missbraucht. Des Weiteren war eine Abmahnung nicht erforderlich. Dies ist der Fall, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht erwartbar ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Angesichts der Kenntnis der Klägerin von der sie treffenden Pflicht zur Buchung von Raucherpausen, angesichts der Schwere des Vertrauensbruchs und der auch strafrechtlichen Relevanz ihres Verhaltens, konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihr Fehlverhalten hinnehmen und es nicht zum Anlass für eine Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung – nehmen würde.

Das Fazit

Flexible Arbeitszeitmodelle beruhen auf Vertrauen. Arbeitnehmende sollten dieses nicht missbrauchen, da unter Umständen sonst die ganze Kollegenschaft leidet. Arbeitszeitbetrug ist keine Lappalie, egal in welcher Form. Mit diesem Urteil wird eindeutig klargestellt: Zündet man die Zigarette an, stempelt man sich vorher aus, da sonst ein Arbeitszeitbetrug gegeben sein kann.

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