Bund und Kommunen
Kündigung auf Verlangen des Kollegiums
Verlangen Teile des Kollegiums die Kündigung einer Mitarbeiterin und drohen andernfalls selbst mit Kündigung, so dürfen Arbeitgebende dem nur nachgeben, wenn sie zuvor aktiv versucht haben, die Mitarbeitenden davon abzubringen (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 12. Dezember 2023, Aktenzeichen 7 Sa 61/23).
Der Fall
Die Klägerin, eine Chemielaborantin, hatte von ihrem Arbeitgeber eine Änderungskündigung erhalten. Sie sollte künftig in einem etwa 90 Kilometer entfernten Betrieb arbeiten. Die seit 1998 in einem Labor der Beklagten Beschäftigte wurde nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit im Jahr 2005 mehrmals innerhalb des Standorts wegen Unstimmigkeiten in der jeweiligen Gruppe versetzt. 2015 wechselte eine Mitarbeiterin aus dem Labor der Klägerin in ein anderes; außerdem gab der Laborleiter seine Leitung auf. Die Beklagte führte beides auf das Sozialverhalten der Klägerin zurück und ermahnte sie. Nach einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sollte diese 2021 an den Arbeitsplatz zurückkehren. Als dies im Team bekannt wurde, wandte sich ein Mitarbeiter an den Geschäftsführer und bat um eine andere Lösung. Auch weitere Mitarbeitende schlossen sich an. Der Geschäftsführer wies dann per E-Mail darauf hin, dass er „vor der Prüfung rechtlicher Schritte verpflichtet“ sei, auch die Interessen der „Klägerin im Blick zu haben und in dieser Angelegenheit vermittelnd tätig zu werden“, und befragte anschließend die Mitarbeitenden unter anderem danach, welche Konsequenzen sie bei einer Rückkehr der Klägerin für sich in Betracht zögen. Die Mitarbeitenden schlossen überwiegend eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aus und rechneten mit erhöhtem Krankenstand. Einige erwogen eine Kündigung. Um eine Kündigungswelle abzuwenden, sprach die Beklagte eine Änderungskündigung aus.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg gab der Klage statt. Eine Druckkündigung liege nach der Rechtsprechung vor, wenn die Kündigung von Dritten, zum Beispiel anderen Mitarbeitenden, unter Androhung von Nachteilen für Arbeitgebende verlangt werde und dann aus diesem Grund auch erfolge. Sie sei aber nur zulässig, wenn sich Arbeitgebende zuvor schützend vor die betroffene Person gestellt hätten und außerdem alles Zumutbare versucht worden sei, die Dritten von der Realisierung der Drohung abzubringen. Beides war aus Sicht des Gerichts hier nicht passiert. Insbesondere habe es dafür nicht ausgereicht, überhaupt Gespräche mit den Mitarbeitenden zu führen. In den Gesprächen habe der Arbeitgeber vielmehr aktiv deutlich machen müssen, dass kein objektiver Anlass für eine Kündigung bestehe.
Das Fazit
Konflikte im Kollegium sind belastend. Trotzdem darf es nicht ohne weiteres möglich sein, sich unbeliebter Kolleginnen und Kollegen zu entledigen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass Arbeitgebende sich laut Urteil zunächst schützend vor die betreffende Person stellen müssen – und zwar aktiv – und versuchen müssen, die anderen Mitarbeitenden von der Drohung abzubringen. Man muss sich dabei vor Augen führen, dass bei gravierendem Fehlverhalten grundsätzlich die Möglichkeit der verhaltensbedingten Kündigung besteht – ein Bedürfnis für das Instrument der Druckkündigung besteht also nur dort, wo das Verhalten dafür eben nicht ausreicht. Hier ist Vorsicht geboten.