Bund und Kommunen
Unterschiedliche Vergütung von Nachtschicht- und Nachtarbeit
Nachschichtarbeit und Nachtarbeit sind im Tarifvertrag eines weltweit bekannten Softdrinkherstellers unterschiedlich geregelt und werden entsprechend anders vergütet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat beschlossen, dass darin kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu sehen ist (BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 2024, Aktenzeichen 1 BvR 1109/21 und 1 BvR 1422/23).
Der Fall
Es geht um zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG), gegen die Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde. Das BAG hatte nach intensiver Befassung sowie Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der Softdrinkhersteller höhere als tarifvertraglich vereinbarte Zuschläge an die jeweils in Nachtschichtarbeit beschäftigten klagenden Mitarbeiter zahlen müsse. Nach dem Manteltarifvertrag gab es für regelmäßige Nachtarbeit im Schichtsystem nur 25 Prozent Zuschlag, während der Zuschlag für unregelmäßige Nachtarbeit bei 50 Prozent liegt. Die Beklagte begründete den höheren Zuschlag für die unregelmäßige Nachtarbeit mit der höheren Belastung für die Betroffenen wegen der fehlenden Planbarkeit. Zudem gebe es bei regelmäßigen und planbaren Nachtschichten zusätzliche Vorteile wie freie Tage zum Ausgleich. Das BAG war dennoch anderer Auffassung und entschied, dass die tarifvertragliche Differenzierung zwischen gelegentlicher Nachtarbeit und regelmäßigen Nachtschichten gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verstoße, da beide Zuschlagsregelungen an die Arbeitsleistung anknüpften und daher kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorliege. Das BAG entschied, dass für die benachteiligte Nachtschichtarbeit rückwirkend die höheren Nachtarbeitszuschläge zu zahlen seien. Dagegen erhoben die Arbeitgebenden Verfassungsbeschwerde.
Die Entscheidung
Das BVerfG schloss sich der Auffassung des BAG nicht an und bejahte eine Verletzung der Tarifautonomie aus Art. 9 Absatz 3 Satz 1 GG. Das BAG habe in seinen Entscheidungen die Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien nicht in verfassungsrechtlich zutreffender Weise berücksichtigt. Das BVerfG betonte zwar, dass die Tarifvertragsparteien zum Schutz ihrer Mitglieder bei der Vereinbarung verbindlicher Tarifnormen an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Absatz 1 GG gebunden seien. Die gerichtliche Überprüfung beschränke sich jedoch auf eine Willkürkontrolle, um den Zweck der Tarifautonomie, und zwar die unabhängige Aushandlung von Tarifregelungen, zu wahren. Das BVerfG war der Ansicht, dass das BAG genau diesen Kontrollmaßstab verletzt und verkannt habe, da es sachliche Gründe für die Differenzierung zwischen Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit gab.
Das Fazit
Der Beschluss des BVerfG ist mit Blick auf die Bedeutung der Tarifautonomie aus Art. 9 Absatz 3 GG folgerichtig. Die Kompetenz zur Aufstellung differenzierter Regelungen in den Tarifverträgen obliegt den Tarifvertragsparteien. Auch wenn ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorgelegen hätte, hätten die Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer geschützten primären Korrekturkompetenz zunächst Gelegenheit vom BAG bekommen müssen, eine Lösung zu finden. Das BVerfG hat die Sache zur erneuten Entscheidung unter Beachtung seiner Rechtsauffassung an das BAG zurückverwiesen.