Auch ohne Urlaubsantrag verfällt der Urlaub nicht automatisch

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinen Entscheidungen vom 6. November 2018, Aktenzeichen C-684/16 und C-619/16, die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit ihren Urlaubsansprüchen deutlich gestärkt.

Der Fall

Ende 2016 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Arbeitgeber von sich aus verpflichtet ist, den Urlaub von Mitarbeitern auch ohne Antrag festzulegen. Im konkreten Fall ging es um einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, der zwischen 2001 und 2013 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften beschäftigt war. Ende Oktober 2013 erfuhr er, dass sein Arbeitsvertrag nicht verlängert werde. Gleichzeitig bat ihn der Arbeitgeber, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also bis Ende Dezember 2013, seinen Urlaub zu nehmen. Tatsächlich nahm der Arbeitnehmer lediglich noch zwei Urlaubstage. Ende Dezember verlangte er, die noch offenen 51 Urlaubstage der Jahre 2012 und 2013 abzugelten. Das lehnte der Arbeitgeber jedoch ab.

In einer weiteren, damit verbundenen Rechtssache verlangt ein ehemaliger Rechtsreferendar die Abgeltung des – am Ende des Referendariats – noch offenen Jahresurlaubs. Er hatte sich entschieden, die letzten fünf Monate des Referendariats keinen Urlaub mehr zu nehmen. Die deutschen Gerichte wandten sich an den EuGH mit der Frage, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs und den Verlust der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat.

Die Entscheidung

Der EuGH stellte klar, dass ein Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verliert, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass er seinen Angestellten angemessen aufgeklärt und in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen. Nur dann kann der Anspruch auf Urlaub oder Ausgleichszahlungen erlöschen, falls der Urlaub nicht genommen wird. Dies gilt sowohl für öffentliche als auch für private Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer ist als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Er könne daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen.

Das Fazit

Der dbb begrüßt diese Entscheidungen. Das Gericht erkennt zu Recht, dass Arbeitnehmer als schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses schutzbedürftig sind. Umstände wie die Sorge um den Erhalt des Arbeitsplatzes oder erhebliche Arbeitsbelastungen können dazu führen, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub nicht beantragen und nehmen. Beide Entscheidungen zeigen, dass die Bedeutung des Urlaubs, auch in finanzieller Hinsicht, gestärkt und geschützt werden soll. Mit den Urteilen des EuGH ist die Regelung des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz zur eingeschränkten Übertragbarkeit des Urlaubsanspruchs ins Folgejahr nahezu obsolet geworden. Anders als bisher wird der Urlaubsanspruch nicht länger kraft Gesetzes verfallen, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig auf seinen bestehenden Urlaubsanspruch hingewiesen und aufgefordert wird, seinen Urlaub bis zum Ende des Jahres zu nehmen.

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