Bund und Kommunen
Übertragung von gesetzlichem Mindesturlaub
Klauseln, welche die Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubs nur für den Fall der betrieblichen außergewöhnlichen Gründe vorsehen, sind rechtswidrig (BAG-Urteil vom 5. August 2014, Aktenzeichen 9 AZR 77/13).
Der Fall
Die Klägerin war im Jahr 2010 arbeitsunfähig erkrankt und konnte daher ihren Jahresurlaub von 27 Tagen nicht vollständig nehmen. Der einschlägige Tarifvertrag sah vor, dass eine Übertragung von nicht genommenen Urlaubstagen in das Folgejahr nur erfolgt, wenn die Gewährung des Urlaubs an außergewöhnlichen betrieblichen Gründen gescheitert ist. Gründe, die in der Person des Beschäftigten lagen, sah der Tarifvertrag nicht vor. Die Klägerin beantragte, dass der von ihr 2010 nicht gewährte Urlaub in Form eines Ersatzurlaubsanspruchs nachgewährt wird. Der beklagte Arbeitgeber lehnt dies ab und behauptet, dass der Urlaub aus dem Jahr 2010 untergegangen sei.
Die Entscheidung
Die Richter des BAG gaben der Klage teilweise statt. Sie erklärten, dass eine tarifvertragliche Regelung, welche einer Übertragung des europarechtlich in der EU-Richtlinie 2003/88/EG vorgesehenen Mindesturlaubs von vier Wochen entgegensteht, rechtswidrig ist. Zwar gehört der § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nicht direkt zu den Regelungen, von denen nicht zum Nachteil der Beschäftigten abgewichen werden darf, allerdings setzt eine richtlinienkonforme Auslegung voraus, dass auch die Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr möglich sein muss, wenn aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen der Urlaub nicht genommen werden kann. Über den Mindesturlaub von vier Wochen hinausgehenden Teil können die Tarifvertragsparteien frei verfügen.
Das Fazit
Das Urteil des BAG hebt erneut die Bedeutung des gesetzlich vorgesehenen Mindesturlaubs hervor. Das Urteil des BAG ist Teil einer Kette von Urteilen, die die Bedeutung des Urlaubsanspruchs im Arbeitsverhältnis unterstreichen. Diesmal ging es um die Frage der Vereinbarkeit von Tarifverträgen mit europäischem Recht. Zum Verständnis des Urteils hilft es, sich die Entwicklung, die das Urlaubsrecht in den letzten Jahren zurückgelegt hat, nochmals vor Augen zu führen. Geregelt ist der arbeitsrechtliche Urlaubsanspruch in der Richtlinie 2003/88/EG. Gemäß Art. 7 dieser Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Der Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen steht ohne Einschränkung auch langzeiterkrankten Arbeitnehmern zu. Dies entschied der Europäischer Gerichtshof (EuGH) in seiner Schultz-Hoff-Entscheidung (20. Januar 2009, C-350/06 – Schultz-Hoff). Das BAG übernahm die Rechtsprechung des EuGH mit seinem Urteil zu § 7 Abs. 3 BUrlG (24. März 2009, Aktenzeichen 9 AZR 983/07). Folge ist, dass tarifvertragliche Regelungen diese nicht zum Nachteil der Beschäftigten direkt – oder auch indirekt über zu enge Verfallsregelungen – verschlechtern können. Wichtig zu wissen ist noch, dass der Urlaubsanspruch grundsätzlich an das Kalenderjahr gebunden ist. Kommt es zu dem Fall, dass trotz Geltendmachung der Urlaubsanspruch nicht gewährt wird, ist die Rechtsfolge ein Schadensersatzanspruch nach §§ 275, 280, 286 BGB, ausgestaltet als Ersatzurlaubsanspruch, der an die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs tritt. Erst bei späterer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Entschädigung in Geld notwendig.