Bund und Kommunen
Streikteilnahme ohne Abmeldung rechtens
Streiken Arbeitnehmende, ohne sich für die Streikteilnahme bei Arbeitgebenden abzumelden, dürfen diese kein unentschuldigtes Fehlen annehmen und nicht abmahnen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. Juni 2024, Aktenzeichen 2 Sa 123/23).
Der Fall
Die Klägerin war seit 2022 bei der Beklagten als Bürokauffrau beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband und daher an den TVöD gebunden. Im Rahmen der dazu laufenden Einkommensrunde kam es zu einem gewerkschaftlichen Warnstreik-aufruf unter anderem an die Beschäftigten der Beklagten. Die Klägerin folgte dem Aufruf zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen ihres Betriebs. Die Betreffenden sammelten sich morgens auf dem Betriebshof und fuhren dann zusammen zum Ort der Warnstreikkundgebung. Erst am nächsten Tag informierten sie mündlich ihre Vorgesetzten über die Streikteilnahme.
Daraufhin kam es erst zu einem Personalgespräch und schließlich zu einer Abmahnung der Klägerin. Die Beklagte war der Ansicht, die Klägerin habe sich vor dem Streik bei ihr abmelden müssen. Da sie dies nicht getan habe, sei auch ihre Arbeitspflicht nicht infolge der Streikteilnahme suspendiert gewesen. Damit habe sie unentschuldigt gefehlt. Die Einkommensrunde endete mit einer Einigung, die folgende Maßregelungsklausel enthielt:
„Die Arbeitgebervertreter erklären, dass von Maßregelungen (Abmahnungen, Entlassungen oder ähnlichem) aus Anlass gewerkschaftlicher Arbeitskampfmaßnahmen, die bis einschließlich 22. April 2023 durchgeführt wurden, abgesehen wird, wenn sich die Teilnahme an diesen Arbeitskampfmaßnahmen im Rahmen der Regelungen für rechtmäßige Arbeitskämpfe gehalten hat.“
Die Klägerin wandte sich vor Gericht gegen die Abmahnung. Sie war der Ansicht, sie habe sich nicht zum Streik abmelden müssen.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht gab der Klägerin recht. Bei einer Streikteilnahme bestehe, von Ausnahmefällen abgesehen, keinerlei Abmeldepflicht. Schon gar nicht müsse eine Abmeldung vor Streikteilnahme erfolgen, um eine rechtmäßige Streikteilnahme zu erreichen. Zwar müssten Arbeitnehmende entweder ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten gegenüber den Arbeitgebenden erklären, dass sie streiken, damit ihre Arbeitspflicht suspendiert werde. Eine solche Erklärung liege aber schon in der Streikteilnahme selbst. Wenn Arbeitnehmende nach entsprechendem gewerkschaftlichem Streikaufruf nicht zur Arbeit erschienen, könnten Arbeitgebende davon ausgehen, dass sie streikten. Eine besondere Klarstellung durch Arbeitnehmende sei nur dann nötig, wenn sie bereits vor Streikbeginn aus anderen Gründen von der Arbeit befreit gewesen seien, zum Beispiel weil sie einen bereits bewilligten Urlaub angetreten hatten.
Außerdem führe auch die in der Tarifeinigung beschlossene Maßregelungsklausel dazu, dass die Klägerin die Entfernung der Abmahnung verlangen könne.
Das Fazit
Ähnlich wie bei der Frage des Ausstempelns während eines Streiks, pochen Arbeitgebende oft auf eine vorherige Abmeldung. Das Urteil gibt Streikenden hier Sicherheit: Eine Pflicht zur Abmeldung gibt es nicht.