Streichen von Homeoffice bei Versetzung an 500 km entfernten Arbeitsort ist unbillig

Laut dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln ist der Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis und die Versetzung an einen 500 km entfernten Arbeitsort nach Schließung eines bisherigen Standorts unbillig (Urteil vom 11. Juli 2024, Aktenzeichen 6 Sa 579/23).

Der Fall

Der Kläger, ein Projektleiter in der Automobilbranche, arbeitete zu 80 Prozent im Homeoffice sowie bei Kunden vor Ort. Sein Arbeitsvertrag sah zwar grundsätzlich einen projektabhängigen Einsatz in ganz Deutschland vor, doch der Kläger war über Jahre hinweg an seinen Heimatstandort und sein Homeoffice gebunden. Nach der Schließung dieses Standorts ordnete die Arbeitgeberin im März 2023 an, dass der Kläger ab Mai 2023 an einem 500 km entfernten Standort tätig sein müsse. Gleichzeitig widerrief sie die Homeoffice-Regelung und kündigte hilfsweise eine Änderungskündigung an, sollte die Versetzung unwirksam sein. Der Kläger lehnte die Versetzung ab, bot seine Arbeitsleistung weiterhin aus dem Homeoffice an und argumentierte, dass die Maßnahme unverhältnismäßig und unzumutbar sei. Er ist der Auffassung, die Versetzung verstoße gegen § 106 der Gewerbeordnung (GewO) zum Weisungsrecht, da sie weder erforderlich noch verhältnismäßig sei. Zudem sei die kurzfristige Verlagerung seines Lebensmittelpunkts nicht realisierbar, da es ihm aus privaten Gründen nicht möglich sei, diesen so kurzfristig zu verlagern und innerhalb eines so kurzen Zeitraums eine neue Wohnung zu finden. Statt einer Änderungskündigung hätte die Arbeitgeberin als milderes Mittel einen Homeoffice-Arbeitsplatz anbieten können, zumal solche Arbeitsplätze auch am neuen Standort weiterhin möglich sind. Das Arbeitsgericht gab der Klage des Mitarbeiters sowohl gegen die Versetzung als auch gegen die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung statt. Die Berufung der Arbeitgeberin blieb erfolglos.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht kam zu dem Schluss, dass die Versetzung unwirksam ist. Der Widerruf der Homeoffice-Regelung und die Zuweisung eines reinen Präsenzarbeitsplatzes überschreiten die Grenzen des billigen Ermessens gemäß § 106 GewO. Auch der Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis ist fehlerhaft und kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Zwar kann eine Arbeitgeberin ihr Weisungsrecht auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers und notfalls gegen dessen Willen ausüben, doch müssen die Interessen beider Seiten angemessen abgewogen werden. Im vorliegenden Fall überwiegen die Interessen des Klägers. Dieser hat ein starkes Bestands- und Ortsinteresse, da er seit Jahren vom Homeoffice aus arbeitet und eng mit seinem familiären, sozialen und kulturellen Umfeld an seinem Wohnort verwurzelt ist. Hingegen konnte die Arbeitgeberin keine sachlichen Gründe vorbringen, die schwerer wiegen als die Interessen des Klägers. Auch die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung ist unwirksam, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gerechtfertigt ist.

Das Fazit

Die Entscheidung des LAG Köln unterstreicht die Grenzen des Weisungsrechts von Arbeitgebenden und schützt Arbeitnehmende, deren Arbeitsweise und Lebensmittelpunkt über Jahre hinweg auf eine flexible Homeoffice-Regelung ausgerichtet sind. Arbeitgebende müssen sorgfältig abwägen, ob Versetzungen oder Änderungen des Arbeitsorts zumutbar und verhältnismäßig sind.

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