Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch für Zeit des Elternurlaubs?

Eine nationale Bestimmung, wonach bei der Berechnung des Jahresurlaubs die Dauer eines von dem Arbeitnehmer genommenen Elternurlaubs nicht als Zeit tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird, ist mit dem Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Aktenzeichen C-12/17).

Der Fall

Die Klägerin nahm vom 1. Oktober 2014 bis zum 3. Februar 2015 Mutterschaftsurlaub. Vom 4. Februar bis zum 16. September 2015 nahm sie Elternurlaub für die Erziehung eines Kindes im Alter von unter zwei Jahren. Während dieses Zeitraums war ihr Arbeitsverhältnis ausgesetzt. Vom 17. September bis zum 17. Oktober 2015 nahm sie 30 Tage bezahlten Jahresurlaub. Auf der Grundlage des rumänischen Rechts, das einen Anspruch auf 35 Tage bezahlten Jahresurlaub vorsieht, beantragte die Klägerin, ihr den Restanspruch von fünf Tagen bezahltem Jahresurlaub für 2015 zu gewähren. Der Antrag wurde abgelehnt, da nach rumänischem Recht die Dauer des bezahlten Jahresurlaubs an die Zeit tatsächlicher Arbeitsleistung innerhalb des laufenden Jahres gebunden sei und die Dauer des Eltern-urlaubs, der ihr 2015 gewährt wurde, bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen werde. Dagegen erhob die Klägerin Klage bei den rumänischen Gerichten. Der rumänische Berufungsgerichtshof hat den Europäische Gerichtshof (EuGH) befragt, ob das Unionsrecht – die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung – einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegensteht, nach der bei der Festsetzung der Dauer des Jahresurlaubs die Zeit, in der sich der Arbeitnehmer im Elternurlaub befunden hat, nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung berücksichtigt wird.

Die Entscheidung

Nach dem Unionsrecht hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Dieser Anspruch sei ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union. Sein Zweck – es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen – beruhe auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet habe. Ein Mitgliedsstaat könne jedoch in bestimmten besonderen Situationen, in denen Arbeitnehmer nicht in der Lage seien, ihre Aufgaben zu erfüllen, zum Beispiel wegen einer Krankheit oder eines Mutterschaftsurlaubs, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht von der Voraussetzung abhängig machen, dass die Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet haben. Die Klägerin, die während des Bezugszeitraums Elternurlaub genommen habe, befinde sich jedoch nicht in einer solchen besonderen Lage. In diesem Zusammenhang stellt der EuGH fest, dass das Eintreten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht vorhersehbar und vom Willen des Arbeitnehmers abhängig ist. Der Mutterschaftsurlaub dient dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach ihrer Schwangerschaft und der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der an Schwangerschaft und Entbindung anschließenden Zeit. Diese besondere Situation unterscheidet sich von der eines Arbeitnehmers im Elternurlaub. Unter diesen Umständen kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall der Zeitraum des Elternurlaubs, den der betreffende Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums genommen hat, bei der Berechnung seiner Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub einem Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung nicht gleichgestellt werden kann. Demnach sei eine Bestimmung des nationalen Rechts, wonach bei der Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub in einem Bezugszeitraum die Dauer eines von dem Arbeitnehmer in diesem Zeitraum genommenen Eltern-urlaubs nicht als Zeitraum tatsächlicher Arbeitsleistung angesehen wird, mit dem Unionsrecht vereinbar.

Das Fazit

Auch nach deutschem Recht mindert die Zeit des Mutterschutzes nicht den bestehenden Urlaubsanspruch, das heißt er besteht in der Höhe, wie er auch ohne Mutterschutz angefallen wäre. Von den schon bestehenden Urlaubsansprüchen vor Beginn des Mutterschutzes sind Urlaubsansprüche für den Zeitraum einer Elternzeit zu unterscheiden. Wer Elternzeit in Vollzeit nimmt, bekommt während dieser Zeit auch kein Entgelt, hat aber Anspruch auf Elterngeld. Nach der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) kann der Erholungsurlaub durch den Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit in Vollzeit um ein Zwölftel des Jahresurlaubsanspruchs gekürzt werden. Diese Regelung ist nach der vorliegenden Entscheidung mit dem Unionsrecht vereinbar.

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