Gleiches Geld für gleiche Arbeit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat festgestellt, dass eine Arbeitnehmerin Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit hat, wenn der Arbeitgebende männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt (BAG, Urteil vom 16. Februar 2023, Aktenzeichen 8 AZR 450/21).

Der Fall

Seit März 2017 ist die Klägerin bei der Beklagten beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500 Euro. Ab August 2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der unter anderem die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte. Die für die Tätigkeit der Klägerin maßgebliche Entgeltgruppe des Haustarifvertrags sah nun ein Grundentgelt in Höhe von 4.140 Euro vor. In Anwendung der Bestimmung in dem Haustarifvertrag zahlte die Beklagte der Klägerin ab August 2018 ein Grundentgelt in Höhe von 3.620 Euro, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte. Neben der Klägerin waren zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit Januar 2017. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt von 3.500 Euro angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte für die Zeit bis zum Einsetzen einer zusätzlichen leistungsabhängigen Vergütung, das heißt für die Zeit bis Ende Oktober 2018, ein höheres Grundentgelt in Höhe von 4.500 Euro. Die Beklagte gab dieser Forderung nach. Nachdem die Beklagte dem Arbeitnehmer in der Zeit von November 2017 bis Juni 2018 ein Grundentgelt in Höhe von 3.500 Euro gezahlt hatte, vereinbarte sie mit diesem ab Juli 2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000 Euro und berief sich zur Begründung unter anderem darauf, dass der Arbeitnehmer einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Mitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab August 2018 zahlte die Beklagte dem männlichen Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Klägerin, das sich in Anwendung des Haustarifvertrags auf 4.120 Euro belief. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten nunmehr die Zahlung rückständiger Vergütung für die Zeit von März bis Oktober 2017 in Höhe von monatlich 1.000 Euro, rückständige Vergütung für den Monat Juli 2017 in Höhe von 500 Euro sowie rückständige Vergütung für die Zeit von August 2018 bis Juli 2019 in Höhe von monatlich 500 Euro. Sie vertrat die Auffassung, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte zum großen Teil Erfolg. Die Beklagte habe die Klägerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 aufgrund ihres Geschlechts dadurch benachteiligt, dass sie ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin hatte deshalb nach Ansicht der Bundesrichter aus Erfurt einen Anspruch nach Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), § 3 Absatz 1 und § 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründete zudem die Vermutung nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dass die Benachteiligung der Klägerin aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Der Beklagten sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere konnte sie sich für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 konnte sie die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere auch nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt. Für den Zeitraum ab August 2018 ergibt sich der höhere Entgeltanspruch der Klägerin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung der Beklagten fand der Haustarifvertrag auf die Klägerin keine Anwendung, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hatte.

Das Fazit

Das BAG hat mit seinem Urteil vom 16. Februar 2023 die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen entscheidend gestärkt. Ihre Auswirkungen auf die Entgeltgleichheit sind erheblich. Arbeitgebende müssen nämlich künftig objektive Gründe nennen, wenn sie einer Frau weniger zahlen wollen als einem Mann in gleicher Position. Hätte das BAG anders entschieden, hätte ein Verweis auf das individuelle Verhandlungsgeschick ausgereicht, um das Abweichen vom Entgeltgleichheitsgebot zu begründen. Das BAG hat daher zu Recht klargestellt, dass der Hinweis des Arbeitgebenden auf die Vertragsfreiheit beziehungsweise auf die Verhandlungsführung eines anderen Vertragspartners im Rahmen der gebotenen Entgeltgleichheit eine sachwidrige Ungleichbehandlung sei. Insofern kann man betroffenen Arbeitnehmenden nur raten, zunächst ihren Auskunftsanspruch nach dem EntgTranspG geltend zu machen und – bei Feststellung einer ungleichen Bezahlung trotz gleicher Tätigkeit – gleiches Geld für gleiche Arbeit einzufordern. Eine Ungleichbehandlung in der Bezahlung von Männern und Frauen darf weiter aus objektiven Kriterien erfolgen. Daher ist es auch künftig nicht unmöglich, dass individuelle Gehaltsunterschiede rechtmäßigerweise bestehen. Arbeitgebende müssen dann allerdings nachvollziehbar begründen, dass sie aus solchen objektiven Gründen ein unterschiedliches Gehalt zahlen.

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