BVerfG kippt BAG-Rechtsprechung zum Vorbeschäftigungsverbot

Das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist verfassungsgemäß. Es kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine weitere sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragsparteien zulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt. Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018, Aktenzeichen 1 BvR 1375/14).

Der Fall

Der Entscheidung liegen Klagen auf Entfristung eines Arbeitsvertrags zugrunde. Die Beschäftigten machten gegenüber ihrem jeweiligen Arbeitgeber geltend, die zuletzt vereinbarte sachgrundlose Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, weil sie bereits zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren. In einem Verfahren hatte das Arbeitsgericht (ArbG) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Regelung mit den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar ist, wenn damit eine sachgrundlose Befristung auf die erstmalige Beschäftigung beim jeweiligen Vertragsarbeitgeber beschränkt sei. In dem anderen Verfahren wollte der Arbeitnehmer nicht nochmal befristet, sondern nun unbefristet beschäftigt werden. Das ArbG ist jedoch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gefolgt und damit davon ausgegangen, dass eine erneute sachgrundlose Befristung nach Ablauf von drei Jahren wieder zulässig sei. Die Entfristungsklage war erfolglos. Dagegen legte der Arbeitnehmer Verfassungsbeschwerde ein. Die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch das BAG verletze seine Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, denn sie überschreite die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung.

Die Entscheidung

Auch das BVerfG sah die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch das BAG mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen als nicht vereinbar an. Zwar ist das Vorbeschäftigungsverbot in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfassungsgemäß. Es kann allerdings – entgegen der Auffassung des BAG – nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine weitere sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragsparteien zulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt. Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen. Der Gesetzgeber hat sich klar erkennbar gegen eine solche Frist entschieden. Das Verbot sachgrundloser Befristung eines Arbeitsvertrags, wenn zuvor bereits einmal ein Beschäftigungsverhältnis vorlag, beeinträchtigt die in Art. 12 Abs. 1 GG geregelte Berufswahlfreiheit von Arbeitssuchenden und die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Arbeitgebern aus Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG. Zwar wiegt das schwer, aber dem Interesse der Arbeitgeber an Flexibilisierung wird dadurch Rechnung getragen, dass ihnen Alternativen zur sachgrundlosen Befristung zur Verfügung stehen, wozu auch die vom Gesetzgeber in bestimmten Fällen erlaubte, mit Sachgrund befristete Beschäftigung gehört. In der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis und den im Sozialstaatsprinzip verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen ist dies grundsätzlich zumutbar. Unzumutbar ist ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber allerdings, wenn und soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Das Fazit

Der erste Senat des BVerfG erteilt mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung des BAG eine Absage – mit spürbaren Auswirkungen für die Praxis. Arbeitgeber dürfen den Vertrag von Beschäftigten auch künftig nur einmal ohne sachlichen Grund befristen.

Ausnahmen vom Verbot der mehrfachen Befristung sind dem Urteil zufolge nur dann möglich, wenn eine Beschäftigung sehr lange zurückliegt oder von kurzer Dauer gewesen ist, etwa bei Werkstudentinnen oder -studenten oder Ferienjobs. Wenn die letzte Beschäftigung bei dem Arbeitgeber allerdings erst drei Jahre zurückliegt, darf der neue Vertrag nicht ohne Grund erneut befristet werden. Noch sind die vom BVerfG genannten Ausnahmen zu wenig konkret. Wie lange eine mögliche Vorbeschäftigung zurückliegen kann – auf jeden Fall länger als drei Jahre – oder welche Art der Vorbeschäftigung konkret als Ausnahme gelten kann, ist nun schwieriger einzuschätzen.

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