Bund und Kommunen
Klinikschüler zählen als Arbeitnehmer
Schüler an einer einem Krankenhaus angegliederten Schule für Physiotherapie sind auch dann Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wenn die praktische Ausbildung nur zu einem geringen Anteil in dem angegliederten Krankenhaus und überwiegend bei anderen Konzernunternehmen oder externen Physiotherapiepraxen stattfindet (LAG Schleswig-Holstein, 29. November 2016, Aktenzeichen 1 TaBV 30/16).
Der Fall
Die Arbeitgeberin ist eine Klinik für Orthopädie und weitere Fachgebiete und gehört zum H-Konzern. Seit Anfang 2016 gehört nach einem Betriebsübergang auch eine Schule für Physiotherapie zum Betrieb. An dieser Schule werden in drei Jahrgängen jeweils bis zu 30 Schüler zu Physiotherapeuten ausgebildet. Die Schüler schließen mit der Arbeitgeberin einen Ausbildungsvertrag und zahlen ein Schulgeld für die Ausbildung. Die praktischen Einsätze finden in verschiedenen Kliniken und Einrichtungen statt. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin streiten darüber, ob die Schüler der Schule für Physiotherapie Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG sind.
Die Entscheidung
Wie schon die Vorinstanz gab auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein dem Betriebsrat recht. Gemäß § 5 Abs. 1 BetrVG sind Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Das bedeutet, dass auch die Auszubildenden eines Betriebs das aktive und das passive Wahlrecht für den Betriebsrat und die Jugend- und Auszubildendenvertretung haben. Die Arbeitnehmereigenschaft liegt bei einer rein schulischen Ausbildung nicht vor. Der Ausbildungsvertrag zwischen Schülern und Arbeitgeberin stellt eine hinreichende vertragliche Bindung dar. Die Auszubildenden werden im Rahmen des Betriebszwecks eingesetzt. Sie nehmen in der Klinik planmäßig an den Therapiesitzungen von Physiotherapeuten teil. Das ist nicht nur praktischer Unterricht, sondern auch ein richtiger Einsatz. Mit der Übernahme der Schule hat sich der Betriebszweck der Arbeitgeberin erweitert. Die Ausbildung von Physiotherapeuten setzt voraus, dass sie in einer Einrichtung zur Gesundheitsversorgung und in deren arbeitstechnischer Organisation tätig werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Schüler nicht in den Dienstplänen des Klinikums erfasst sind und anstatt Urlaub Schulferien erhalten. Die praktischen Einsätze unter Aufsicht von Physiotherapeuten planen die Schulleitung und die Abteilungsleitung der Physiotherapie in der Klinik gemeinsam. Die Einsätze finden folglich nach Anweisung der Arbeitgeberin statt. Auch der Umstand, dass die Schüler die praktische Ausbildung überwiegend in externen Einrichtungen absolvieren, spricht nicht gegen ihre Eingliederung in den Klinikbetrieb.
Das Fazit
Wann eine medizinische Ausbildung mit theoretischem und praktischem Anteil die Voraussetzungen von § 5 BetrVG erfüllt, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 6. November 2013 (Aktenzeichen 7 ABR 76/11) im Fall einer Medizinischen Schule entschieden, die ebenfalls einem Klinikbetrieb angegliedert war. Nach den vom BAG aufgestellten Kriterien ist die Arbeitnehmereigenschaft von Auszubildenden zu bejahen, wenn zwischen dem Betrieb und dem Auszubildenden ein zivilrechtlicher Vertrag über die Berufsausbildung besteht, der Auszubildende arbeitstechnisch in den Betrieb wie ein Arbeitnehmer eingegliedert ist und die betrieblich-praktische Ausbildung entweder überwiegt oder dem schulischen Anteil zumindest gleichwertig ist. Es kann Schul- und Ausbildungsmodelle geben, in denen die vom BAG entwickelten Kriterien nicht greifen. Dennoch sollten alle Betriebsräte in diesen Einrichtungen prüfen, ob ihre Auszubildenden schon als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG anerkannt sind. Dies ist nicht nur für das aktive und passive Wahlrecht der Auszubildenden gemäß §§ 7, 8 BetrVG von Bedeutung, sondern auch für die Schwellenwerte bei der Zahl der Betriebsratsmitglieder gemäß § 9 BetrVG oder bei der Zahl der Freistellungen gemäß § 38 BetrVG.