Weg zur Arbeitsstelle auf dem Betriebsgelände keine vergütungspflichtige Arbeitszeit

Der zurückgelegte Weg auf dem Betriebsgelände bis zur konkreten Arbeitsstelle stellt auch bei arbeitgeberseitigen Vorgaben keine vergütungspflichtige Arbeitszeit dar (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2025, Aktenzeichen 10 SLa 564/24).

Der Fall

Der Kläger war am Flughafen als Fahrer im Fahrzeugpool bei der Betreiberin des Flughafens (Beklagte) beschäftigt. Er verlangte die Vergütung von innerbetrieblichen Wegezeiten vom Kontrollpunkt bis zum Zeiterfassungsterminal und zurück sowie der Umkleidezeiten vor und nach der Schicht. Um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen, nutzte er regelmäßig von der Beklagten bereitgestellte Shuttlebusse. Zudem verpflichtete die Beklagte die Beschäftigten zum Tragen einer Warnweste im Sicherheitsbereich. Der Kläger konnte frei wählen, ob er sich zu Hause oder vor Ort umzieht. Für das Umziehen vor und nach der Arbeit wurden jeweils pauschal fünf Minuten angenommen. Das Arbeitsende konnte zehn Minuten früher zum Umkleiden vorgezogen werden. Der Kläger machte geltend, dass aufgrund betrieblicher Vorgaben und Sicherheitsauflagen der Weg vom Kontrollpunkt zur Stechuhr und zurück – inklusive Wartezeiten, Shuttlefahrt und Umkleidezeit – fremdnützige Tätigkeit darstellt und daher zu vergüten sei. Die Beklagte erwiderte, der Weg zum Arbeitsplatz sei keine vergütungspflichtige Tätigkeit. Die Kontrolle erfolge hoheitlich, nicht arbeitgeberseitig. Die Arbeitszeit beginne mit Betätigung der Stechuhr. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Der Kläger legte daraufhin Berufung ein. 

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Wegezeit vom Passieren der Sicherheitskontrolle bis zur Stechuhr zählt nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit. Es handelt sich um eine eigennützige Tätigkeit des Arbeitnehmers. Juristisch beginnt die Arbeitszeit zu dem Zeitpunkt, in dem Arbeitnehmende entweder die Arbeit aufnehmen oder Arbeitgebenden die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgemäß anbieten. Arbeitgebende also in der Lage sind, die Arbeitskraft der Arbeitnehmenden zu verwerten. Erst dann dient die Tätigkeit der Arbeitnehmenden einem fremdnützigen Zweck. Gemeint ist damit im Grundsatz der konkrete Arbeitsplatz, an dem die Arbeit aufzunehmen ist, nicht das Erreichen des Betriebssitzes oder -gebäudes. Daher begründet die Durchlaufzeit durch die Sicherheitskontrollen und die Nutzung des Shuttlebusses keine Arbeitszeit. Diese Maßnahmen dienen dem allgemeinen Sicherheitsinteresse des Flughafenbetriebs und nicht der konkreten Arbeitsleistung für die Arbeitgeberin. Die Umkleidezeit ist nur dann vergütungspflichtig, wenn das Umkleiden im Betrieb zwingend vorgeschrieben ist oder wenn die Dienstkleidung so auffällig ist, dass ein Tragen auf dem Weg zur Arbeit unzumutbar wäre. Im vorliegenden Fall bestand keine Verpflichtung, sich im Betrieb umzuziehen – daher auch keine Vergütungspflicht.

Das Fazit

Es ist nachvollziehbar, dass der Arbeitsbeginn grundsätzlich mit der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit definiert wird. Dennoch verkennt das Urteil die Realität vieler Beschäftigter – insbesondere in sicherheitskritischen Bereichen wie Flughäfen. Wenn Beschäftigte aufgrund betrieblicher Vorgaben und organisatorischer Abläufe – etwa durch Sicherheitskontrollen, Shuttlefahrten oder Umkleidepflichten – erhebliche Wegezeiten in Kauf nehmen müssen, geschieht dies nicht im eigenen Interesse, sondern im klaren Interesse der Arbeitgebenden. Dass solche fremdbestimmten Zeiten nicht vergütet werden, führt faktisch zu einer schleichenden Verlängerung der Arbeitszeit zulasten der Beschäftigten. Wegezeiten, die durch betriebliche Anordnungen oder Sicherheitsauflagen veranlasst sind, sollten daher anerkannt und entsprechend vergütet werden.

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