Lesen von SMS zur Konkretisierung des Dienstplans auch in der Freizeit

Sind Mitarbeitende nach dem Dienstplan zu einem Dienst eingeteilt, erfahren den genauen Dienstort und die genaue Dienstzeit aber erst am Vortag per SMS, so müssen sie diese SMS auch in ihrer Freizeit lesen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2023, Aktenzeichen 5 AZR 349/22).

Der Fall

Der Kläger war bei der Beklagten als Notfallsanitäter beschäftigt. Laut Betriebsvereinbarung durfte er zu unkonkreten Springerdiensten eingeteilt werden. Mitarbeitende wissen dann zwar, dass sie an einem bestimmten Tag herangezogen werden, der genaue Beginn ihrer Schicht wird ihnen aber erst am Vortag bis spätestens 20 Uhr mitgeteilt. Im April sowie im September 2021 wurde der Kläger zu solchen Diensten eingeteilt. Am Vortag des Dienstes versuchte die Beklagte jeweils vergeblich, den Kläger telefonisch zu erreichen, um ihn über den genauen Beginn des Dienstes am nächsten Tag zu informieren. Sodann sandte sie ihm eine SMS mit der Information über den Dienstbeginn. Der Kläger nahm die SMS jedoch nicht zur Kenntnis und erschien am nächsten Tag auch nicht rechtzeitig zum Dienst. Die Beklagte zog die Stunden von seinem Arbeitszeitkonto ab und erteilte ihm eine Abmahnung. Hiergegen wandte sich der Kläger. Er war der Meinung, in seiner Freizeit müsse er sein Handy nicht auf Nachrichten seiner Arbeitgeberin überprüfen.

Die Entscheidung

Das Gericht entschied, dass der Kläger die SMS auch in seiner Freizeit lesen musste. Zwar müssten Arbeitgebende bei „Arbeit auf Abruf“ Mitarbeitende grundsätzlich vier Tage im Voraus über einen Arbeitseinsatz informieren. Der Fall liege hier aber anders. Der Kläger habe gewusst, dass er am Folgetag zu einem Springerdienst eingeteilt sei und ihm der genaue Arbeitsbeginn am Vortag bis 20 Uhr mitgeteilt werde. Die Einteilung zu dem Dienst sei auch rechtzeitig, nämlich mindestens vier Tage im Voraus, erfolgt. Durch die SMS werde der Dienst nur konkretisiert. Er habe auch nicht ununterbrochen erreichbar sein müssen. Vielmehr habe es ausgereicht, einmalig um 20 Uhr das Handy auf Nachrichten zu überprüfen. Das einmalige Checken des Handys sei auch nicht als Arbeitszeit zu werten; dafür sei es nicht erheblich genug.

Das Fazit

Die vorangehende Instanz hatte dem Kläger noch klar ein Recht auf Nichterreichbarkeit in der Freizeit zugesprochen und dies auf den Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz gestützt. Dieses Urteil haben wir bereits in der Ausgabe des tacheles von März 2023 besprochen. Das Bundesarbeitsgericht verpasst nun leider die Chance, eine ebenso konsequente Abgrenzung zwischen Arbeits- und Ruhezeit vorzunehmen. Besonders bedenklich scheint dabei, dass das Gericht „Arbeitszeit“ nur annimmt, wenn die Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigt wird. Dagegen hatte das Landesarbeitsgericht jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, als Arbeit definiert und daher auch das Lesen einer SMS erfasst.

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