Beamte und Streik
Anlässlich der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über das Streikverbot für Beamte, haben wir hier einige Fragen und Antworten sowie Hintergrundinformationen zum Gerichtsurteil aufgelistet.
Warum gibt es in Deutschland Beamte?
Weil wir als Gesellschaft ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass die Leistungen des Staates für seine Bürgerinnen und Bürger mit einem Höchstmaß an Verlässlichkeit und Neutralität erbracht werden. Verlässlichkeit und Neutralität sichern wir als Gesellschaft über den Beamtenstatus ab. Dieser Status garantiert einen streikfreien öffentlichen Dienst; zudem ist dessen beamtetes Personal in besonderem Maße „immun“ gegen politische Einflussnahmen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Streikverbot für Beamte
Ist das deutsche Modell noch zeitgemäß?
Absolut. Deutschland ist – verglichen mit anderen Ländern – gut durch die Krisen der jüngeren Vergangenheit gekommen. Deutschlands öffentlicher Dienst mit der starken Säule des Berufsbeamtentums hat seine Leistungsstärke in der Finanzkrise ebenso unter Beweis gestellt wie in der Bewältigung des Flüchtlingszustromes. Ohne einen streikfreien öffentlichen Dienst wäre das nicht zu bewerkstelligen gewesen. Dabei gibt es zwischen Beamten und Arbeitnehmern kein „Rangverhältnis“; vor allem sind Beamte nicht die besseren Beschäftigten. Beide Gruppen unterscheiden sich in ihrer Aufgabenstellung, beide Bereiche sind in ihren jeweiligen Rechten und Pflichten ausgewogen. Zu bedauern ist, dass Bund, Länder und Gemeinden die Stellenbesetzung nicht nach sachlichen, sondern nach politischen oder sonstigen Gesichtspunkten durchführen.
Brauchen wir denn überhaupt – und wenn in welchen Bereichen – Beamte mit besonderen Rechten?
Ja, die Beamten brauchen wir. Und zwar in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wenn Daseinsvorsorge, insbesondere im grundrechtsrelevanten Bereich, verlässlich funktionieren soll, geht das nur durch den Einsatz von Beamtinnen und Beamten. Nicht wegen deren Rechte, sondern wegen deren Pflichten! Streikfreiheit und besondere Loyalität gibt es nicht zum Nulltarif: Die Rechte sind als Gegenstück zu den Pflichten der Beamten ebenso Rechtfertigung wie Voraussetzung für ein funktionierendes Gemeinwesen.
Wie definiert der dbb den „Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge“?
Das Grundgesetz bestimmt, dass die „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ in der Regel Beamten zu übertragen ist. Davon waren zu Beginn ganz selbstverständlich heute privatisierte Infrastrukturbereiche – Bahn, Post, Telekommunikation – und Schulen umfasst. Es geht nicht darum, eine neue Verbeamtungswelle anzustoßen, erst recht nicht in Bereichen, die gar nicht mehr öffentlich sind. Die Politik kann - und darf – aber entscheiden, wo sie wo sie das sichere Funktionieren für so wichtig hält, dass sie es über Beamte absichert.
Kann das Streikverbot die „Beamtenprivilegien“ rechtfertigen?
Privilegien ist der falsche Begriff. Die Streikfreiheit des deutschen öffentlichen Dienstes ist die wichtigste, aber nicht die einzige Rechtfertigung für das besondere Band, das zwischen dem Staat und seinen Beamten geknüpft ist. Voraussetzung für Verlässlichkeit, für die Beamte in besonderem Maße stehen, drückt sich zunächst in Verfügbarkeit aus. Kurz gesagt: Wer nicht im Arbeitskampf ist, kann arbeiten. Aber die zweite Frage ist ja auch: Wie wird die Arbeit erledigt? Hier kommt noch einmal Verlässlichkeit ins Spiel. Beamte dienen dem Volk, also dem Staat. Dafür kümmert sich der Staat auch besonders um seine Staatsdiener. Das drückt sich unter anderem in der Absicherung für Krankheit und für das Alter aus. Das Kümmern des Staates um seine Beamten prägt deren Einstellung zu ihrer Arbeit für das Gemeinwesen. Beamter zu sein, ist halt nicht nur ein Job, es ist ein Dienst an der Gesellschaft. Und die Gesellschaft verlässt sich auf die Beamten. Es ist ein Geben und Nehmen.
Warum müssen Lehrer Beamte sein?
Weil Bildung die wichtigste Ressource Deutschlands ist. Der Staat ist in der Pflicht, den Zugang zu und die Vermittlung von schulischer Bildung flächendeckend und ohne Beeinträchtigung durch Arbeitskampfmaßnahmen zu gewähren. Daher ist es zwingend, den staatlichen Bildungsauftrag, der über Art. 7 ausdrücklich in das Grundgesetz aufgenommen wurde und der mit der Schulpflicht hinterlegt ist, oder einfacher formuliert das Wohl und Wehe der nachwachsenden Generationen in die Hände verbeamteter Pädagoginnen und Pädagogen zu legen.
In Sachsen sind Lehrer ganz überwiegend nicht Beamte, ohne dass das Bildungssystem zusammenbricht…
Gerade Sachsen zeigt, dass die Politik auf dem Holzweg ist, wenn sie glaubt, Schule ohne verbamtete Lehrerinnen und Lehrer verlässlich organisieren zu können. Die Anzahl der Seiten- und Quereinsteigerinnen in den Lehrerberuf ist in Sachsen und in Berlin, das ebenfalls nicht verbeamtet, dramatisch angestiegen. Der Beamtenstatus ist natürlich auch ein Personalgewinnungsinstrument. Und würden Sie das Wohl Ihrer Kinder einem Quereinsteiger anvertrauen, der über viele Qualifikationen verfügen kann, aber eben nicht die eines Lehrers? Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sich der Qualitätsverlust in den sächsischen Lehrerzimmern auch in den gängigen Bildungstests herauslesen lässt.
Wie kann eine Gewerkschaft überhaupt gegen das Streikrecht sein?
Wir stehen uneingeschränkt zum verfassungsrechtlich geschützten Streikrecht, von dem der dbb und seine Mitgliedsgewerkschaften im Arbeitnehmerbereich ja in den Tarifauseinandersetzungen auch Gebrauch machen. Allerdings hat das Grundgesetz, unsere Verfassung, auf der anderen Seite mit dem Beamtentum sehr bewusst einen streikfreien Bereich geschaffen, in dem eine ständige Aufgabenerledigung in den staatlichen Kernbereichen sichergestellt wird. Auch dazu steht der dbb.
Wieso will der dbb keine Veränderungen?
Der dbb hat in der Vergangenheit eine Vielzahl von Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Beamtenrechts vorgelegt. Allerdings immer auf der Grundlage der geltenden Verfassung. Zu derartigen Reformen, um z.B. auch in Zukunft genügend Bewerber für die Berufe im öffentlichen Dienst zu finden, reichen wir dem Gesetzgeber weiter die Hand. Wichtig ist, dass der öffentliche Dienst seiner Aufgabe, den Staat handlungsfähig zu machen und zu halten, jederzeit nachkommen kann.
Was stört den dbb am Motto „verhandeln statt verordnen“?
Das Motto ist Effekthascherei pur, denn es hat mit dem geltenden Verfassungsrecht nichts zu tun. Die Rechtsbeziehungen des Staates zu seinen Beamten regelt der Gesetzgeber. Dabei sollte dieser schon ein gesundes Eigeninteresse haben, seinen Staatsdienern vernünftige Beschäftigungsbedingungen zu bieten, z.B. was die lineare Entwicklung der Besoldung angeht. Und: Wer verhandelt muss auch ein Druckmittel haben. Arbeitnehmer können deshalb streiken, Beamten fehlt ein solches Instrument. Darüber hinaus ist allerdings eine weiter verbesserte Beteiligung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an den entsprechenden Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen. Dafür treten wir ein.
Gibt es im dbb auch Beamte, die gerne streiken würden?
Die Beamtinnen und Beamten haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Sparrunden über sich ergehen lassen müssen, so dass vielleicht mancher über solche Ideen nachgedacht hat. Allerdings ist es tief im Berufsethos der Beamten verwurzelt, dieses besondere Dienst- und Treuverhältnis auch zu leben. Und das bedeutet, den Staat am Laufen zu halten, immer und unter allen Umständen.
Warum reklamiert Deutschland für sich in Europa ein Sonderbeamtenrecht?
Die öffentlichen Dienste und dienstrechtlichen Regeln der EU-Mitgliedstaaten sind allesamt sehr unterschiedlich gestaltet. Das öffentliche Dienstrecht ist aufs Engste verknüpft mit der jeweiligen staatlichen Identität und spiegelt insoweit den europäischen Pluralismus wieder. Denn die Mitgliedstaaten mit ihrer Identität und Vielfalt konstituieren dieses Europa, das eben kein Monolith ist und auch kein Monolith sein darf. Das Beamtenrecht ist wesentlich für die staatliche Identität der Bundesrepublik. Das BVerfG hat in seinem Lissabon-Urteil klargestellt, dass die Identität der Mitgliedstaaten eine Integrationsgrenze darstellt. Die Identität, für die der öffentliche Dienst maßgeblich ist, darf nicht angetastet werden.
Kollidiert Deutschlands Sonderrolle mit EU-Recht?
Das EU-Recht betrachtet den öffentlichen Dienst in besonderer Weise, was zum Beispiel in den Bestimmungen über die Freizügigkeit zum Ausdruck kommt. Die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung sind nämlich nach Artikel 45 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vom Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgenommen. Weiterhin einschlägig ist Artikel 153 Absatz 5 AEUV, wo das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht von der EU-Kompetenz ausdrücklich ausgenommen sind! Das bedeutet: EU-Recht, ja, hat Vorrang vor nationalem Recht. Es ist aber vernünftig geregelt, weshalb es hier keinen Normenkonflikt gibt.
Die Länder um uns herum funktionieren gut – ohne Beamte…
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat es weit weniger Streiks gegeben als in praktisch allen anderen europäischen Staaten. Dies ist der besonderen Stärke der Sozialpartnerschaft, der Mitbestimmung, aber eben auch dem besonderen Rechts- und Treueverhältnis des deutschen Berufsbeamtentums zu verdanken. Insofern kann man zwar nicht sagen, andere Länder funktionierten nicht. Aber die Bürger leiden dort schon, wenn immer wieder auch im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge streikbedingte Einschränkungen hinzunehmen sind. Im Übrigen ist das auch für die Wirtschaft ein klarer Standortnachteil, wenn der öffentliche Dienst regelmäßig durch intensive und extensive Streiks lahmgelegt wird.
Was hat die europäische Menschenrechtskonvention mit Beamten zu tun?
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, den die Europaratsmitglieder geschlossen haben. Die EMRK hat damit nicht den Rang, den das EU-Recht genießt, das als supranationales Recht über dem einfachen Recht der EU-Staaten steht. Die EMRK steht somit nicht über deutschem Verfassungsrecht, das eben für die Berufsbeamten ein Streikverbot vorsieht.
Hintergrund
Das Streikverbot ist eines der Kernbestandteile des Berufsbeamtentums. Es gehört zu den in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ und genießt damit rechtlich Verfassungsrang. Das Streikverbot ist gleichzeitig aber auch in seiner Stabilitätsfunktion eine der tragenden Säulen für die Legitimation des besonderen Dienstverhältnisses. Das Streikverbot gilt unabhängig davon, ob im konkreten Fall hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden – maßgeblich ist der Status, der Rechte und Pflichten bestimmt.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 12. Juni 2018 (Az. 2 BvR 1738/12 u.a.) entschieden, dass das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte verfassungsgemäß ist und damit die Rechtsauffassung des dbb bestätigt.
Gegenstand des Verfahrens sind vier gegen das Streikverbot für Beamte gerichtete Verfassungsbeschwerden, die der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts nunmehr zurückgewiesen hat. Die Beschwerdeführenden sind oder waren als beamtete Lehrkräfte an Schulen in drei verschiedenen Bundesländern tätig. Sie nahmen in der Vergangenheit während ihrer Dienstzeit an Streikmaßnahmen teil. Diese Teilnahme wurde durch die zuständigen Disziplinarbehörden geahndet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Streikteilnahme stelle einen Verstoß gegen grundlegende beamtenrechtliche Pflichten dar; insbesondere dürfe ein Beamter nicht ohne Genehmigung dem Dienst fernbleiben. In den fachgerichtlichen Ausgangsverfahren wandten sich die Beschwerdeführenden letztlich erfolglos gegen die jeweils ergangenen Disziplinarverfügungen.
Mit dem vorliegenden Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die gegen das Streikverbot gerichteten Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, was der dbb beamtenbund und tarifunion ausdrücklich begrüßt hat. Der Zweite Senat bezeichnete das Streikverbot des Art. 33 Abs. 5 GG insoweit als eigenständiges, systemnotwendiges und damit fundamentales Strukturprinzip des Berufsbeamtentums. Nach der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts ist das beamtenrechtliche Streikverbot eng verknüpft mit den verfassungsrechtlichen Fundamenten des Berufsbeamtentums in Deutschland, namentlich der beamtenrechtlichen Treuepflicht und dem Alimentationsprinzip. Bei diesem wechselseitigen System lasse das Beamtenverhältnis ein – so wörtlich – „Rosinenpicken“ nicht zu. Ein Streikrecht (für bestimmte Beamtengruppen) würde eine Kettenreaktion in Bezug auf die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses auslösen und wesentliche Grundsätze und damit zusammenhängende Institute in Mitleidenschaft ziehen, so der Zweite Senat.
Auch nach der Auffassung des dbb ist das Streikverbot als eines der Kernbestandteile der in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und damit als eine der tragenden Säulen für die Legitimation des besonderen Dienstverhältnisses anzusehen. Der dbb Bundesvorsitzende äußerte sich unmittelbar nach der Urteilsverkündung dahingehend, dass die Verfassung mit dem Berufsbeamtentum und seinen Grundsätzen in einem ausbalancierten Verhältnis von Rechten und Pflichten ganz bewusst einen streikfreien Raum garantiere, in dem eine ständige staatlichen Aufgabenstellung und damit die Funktionsfähigkeit des Staates sichergestellt werde. Insoweit seien Verlässlichkeit und Neutralität der Leistungen des Staates in Deutschland über den Beamtenstatus abgesichert. Nur dieser Status garantiert einen in wesentlichen Aufgabenfeldern streikfreien und verlässlichen öffentlichen Dienst, so der dbb Bundesvorsitzende.
Zu der von den Beschwerdeführenden aufgeworfenen Frage, inwieweit das hiesige Streikverbot mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 11 EMRK) auch mit Blick auf die dazu ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte vereinbar sei, stellte der Zweite Senat fest, dass das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte in Deutschland mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Einklang stehe und insbesondere auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sei. Ein Streikverbot für deutsche Beamtinnen und Beamte und konkret für beamtete Lehrkräfte sei nach Art. 11 Abs. 2 S. 1 EMRK gerechtfertigt. Die Zuerkennung eines Streikrechts für Beamte wäre unvereinbar mit der Beibehaltung grundlegender beamtenrechtlicher Prinzipien und würde das System des deutschen Beamtenrechts, eine nationale Besonderheit der Bundesrepublik Deutschland, im Grundsatz verändern und in Frage stellen, so der Zweite Senat.
Auch hat das Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass beamtete Lehrkräfte zu dem Bereich der Staatsverwaltung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 EMRK zählen; also wie Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder Staatsverwaltung anzusehen seien. Dies hat zur Folge, dass auch für beamtete Lehrkräfte die Ausübung der Rechte aus Art. 11 Abs. 1 S. 1 EMRK, also z.B. das Streikrecht, beschränkt werden könne. Für den Bereich der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen ergebe sich ein besonderes Interesse des Staates an der Aufgabenerfüllung durch Beamtinnen und Beamte; deshalb seien solche Einschränkungen gerechtfertigt. Denn das Schulwesen und der staatliche Erziehungs- und Bildungsauftrag nehme im Grundgesetz (Art. 7 GG) und den Verfassungen der Länder einen hohen Stellenwert ein, so das Bundesverfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht hat seinem Urteil vom 12. Juni 2018 folgende Leitsätze vorangestellt:
1. Der persönliche Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst auch Beamte (vgl. BVerfGE 19, 303 <312, 322>). Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet. Es kann aber durch kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte begrenzt werden.
2. a) Das Streikverbot für Beamte stellt einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG dar. Es erfüllt die für eine Qualifikation als hergebrachter Grundsatz notwendigen Voraussetzungen der Traditionalität und Substanzialität.
2. b) Das Streikverbot für Beamte ist als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten. Es weist eine enge Verbindung auf mit dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, der Treuepflicht, dem Lebenszeitprinzip sowie dem Grundsatz der Regelung des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses einschließlich der Besoldung durch den Gesetzgeber.
3. a) Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Text der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 111, 307 <317>; 128, 326 <367 f.>; stRspr).
3. b) Während sich die Vertragsparteien durch Art. 46 EMRK verpflichtet haben, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen (vgl. auch BVerfGE 111, 307 <320>), sind bei der Orientierung an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jenseits des Anwendungsbereiches des Art. 46 EMRK die konkreten Umstände des Falles im Sinne einer Kontextualisierung in besonderem Maße in den Blick zu nehmen. Die Vertragsstaaten haben zudem Aussagen zu Grundwertungen der Konvention zu identifizieren und sich hiermit auseinanderzusetzen. Die Leit- und Orientierungswirkung ist dann besonders intensiv, wenn Parallelfälle im Geltungsbereich derselben Rechtsordnung in Rede stehen, mithin (andere) Verfahren in dem von der Ausgangsentscheidung des Gerichtshofs betroffenen Vertragsstaat betroffen sind.
3. c) Die Grenzen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; 128, 326 <371>). Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen.
4.Das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte in Deutschland steht mit dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Einklang und ist insbesondere mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lässt sich eine Kollisionslage zwischen dem deutschen Recht und Art. 11 EMRK nicht feststellen.