Vorläufige Regelung

Sinn und Zweck

Unterliegt eine Maßnahme der Mitbestimmung oder der Mitwirkung, so darf sie nicht durchgeführt werden, bis das gesamte Mitbestimmungs-/Mitwirkungsverfahren durchlaufen ist. Dadurch kann sich die Realisierung der von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme verzögern. In Ausnahmefällen kann eine solche Verzögerung die Aufgabenerfüllung der Dienststelle beeinträchtigen. Um dies zu vermeiden, gibt § 69 Abs. 5 BPersVG dem Dienststellenleiter die Möglichkeit, vor Durchführung des Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungsverfahrens die notwendige Regelung bereits vorzunehmen und Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungsverfahren erst im unmittelbaren Anschluss daran zu durchlaufen.

Die Möglichkeit, dass der Dienststellenleiter eine vorläufige Regelung erlässt, ohne – wie vom Gesetz vorgeschrieben – die Personalvertretung beteiligt zu haben, stellt eine Ausnahmeregelung dar. Sie ist aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig, weil der Gesetzgeber verpflichtet ist, auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht sicherzustellen, dass die Dienststelle ihren Amtsauftrag sach- und zeitgerecht erfüllen kann (BVerwG v. 24.5.1995, ZfPR 1995, 185). Gleichzeitig stellt die Vorschrift jedoch auch sicher, dass die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Personalvertretung trotz beteiligungsfreier Durchführung der vorläufigen Regelung jedenfalls bei der endgültigen Maßnahme erfolgt (BVerwG v. 19.4.1988, PersV 1988, 528).

§ 69 BPersVG Verfahren bei der Mitbestimmung

(5) Der Leiter der Dienststelle kann bei Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Er hat dem Personalrat die vorläufige Regelung mitzuteilen und zu begründen und unverzüglich das Verfahren nach den Absätzen 2 bis 4 einzuleiten oder fortzusetzen.

Sachlicher Anwendungsbereich

Vorläufige Regelungen sind zulässig im Mitbestimmungsverfahren (§ 69 Abs. 5 BPersVG) und im Mitwirkungsverfahren (§ 72 Abs. 6 BPersVG). Dabei kann eine vorläufige Regelung kann nicht nur vom Dienststellenleiter der ersten Stufe, sondern auf jeder Stufe des Mitbestimmungsverfahrens vorgenommen werden, wenn die Maßnahme unaufschiebbar geworden ist.

Als Ausnahmeregelung ist der Erlass einer vorläufigen Regelung von engen Voraussetzungen abhängig. So muss die beabsichtigte Maßnahme überhaupt geeignet für eine vorläufige Regelung sein. Darüber hinaus muss sie der Natur der Sache nach unaufschiebbar sein.

Bevor eine vorläufige Regelung in Betracht gezogen wird, muss geprüft werden, ob nicht eine Verkürzung der Äußerungsfrist nach § 69 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 4 BPersVG ausreicht. Als mildere Maßnahme hätte die Verkürzung der Äußerungsfrist Vorrang vor einer vorläufigen Regelung.

Geeignetheit für vorläufige Regelung

Einer vorläufigen Regelung zugänglich ist eine Maßnahme nur dann, wenn die vorläufige Regelung weder rechtlich noch tatsächlich vollendete Tatsachen schafft. Eine vorläufige Regelung ist also dann nicht möglich, wenn die beabsichtigte Maßnahme vorweggenommen würde und anschließend nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.

Die vorläufige Regelung darf also das Mitbestimmungs-/Mitwirkungsrecht der Personalvertretung bei der endgültigen Maßnahme nicht vereiteln. Es muss auch noch Raum bleiben, dass die Regelung durch die Beteiligung der Personalvertretung abgeändert wird. In jedem Fall muss sich daher die vorläufige Maßnahme auf das sachlich wie zeitlich unbedingt Notwendige beschränken (BVerwG v. 16.12.1992, ZfPR 1993, 76). Stets ist also die schonendste Regelung zu wählen und darauf zu achten, dass die vorläufige Regelung mit der endgültigen Entscheidung gegenstandslos wird oder aber ohne weiteres aufgehoben werden kann.

Ausnahmen von diesem Grundsatz sind – wiederum ausnahmsweise – nur dann erlaubt, wenn die Natur der Sache keine Einschränkungen zulässt (z.B. Mehrarbeit oder Überstunden in Katastrophenfällen). Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn ein geordneter Dienstbetrieb in der Dienststelle auf dem Spiel steht. Ein faktischer Ausschluss der Mitbestimmung durch eine vorläufige Regelung, die nicht mehr abänderbar ist, ist also nur dann möglich, wenn ohne diese abschließende „vorläufige“ Regelung eine Schädigung überragender Gemeinschaftsgüter oder –Interessen eintreten würde (BVerwG v. 19.4.1988, a.a.O.).

Um die vorläufige Maßnahme tatsächlich als vorläufige zu gestalten, muss der Dienststellenleiter sicherstellen, dass dann, wenn im Beteiligungsverfahren die Personalvertretung ihre Zustimmung verweigert, die vorläufige Maßnahme gegenstandslos oder sofort wieder aufgehoben werden kann. Hierzu eigenen sich eine Befristung, die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung oder aber ein sonstiger Vorbehalt (Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 10. Aufl., § 69 Rn. 37). Wegen des grundsätzlichen Verbotes, die vorläufige Regelung als endgültige vorzunehmen, sind Gestaltungsmaßnahmen wie Ernennung, Versetzung, vorbehaltlose bzw. unbefristete Einstellung, Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand oder Rückgruppierungen ausgeschlossen (vgl. Lorenzen/Etzel/Gerhold/Rehak/Faber/Schlatmann, BPersVG, § 69 Rn. 53 a). Bei einer eigentlich beabsichtigten Versetzung ist als vorläufige Regelung nur eine Abordnung zulässig, wobei die Abordnung evtl. zu befristen ist (BVerwG v. 16.12.1992, a.a.O.).

Unaufschiebbarkeit

Eilbedürftigkeit ist noch keine Unaufschiebbarkeit. Bei Eilbedürftigkeit kommt eine Fristverkürzung in Betracht. Unaufschiebbar ist eine Maßnahme nur dann, wenn die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sichergestellt werden muss, um schwere Behinderungen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung auszuschließen (BVerwG v. 25.6.1987, PersV 1988, 269).

Unaufschiebbarkeit liegt nur dann vor, wenn eine Maßnahme nach Art und Inhalt des Regelungsgegenstandes trotz des noch laufenden Mitbestimmungsverfahrens und der fehlenden Zustimmung des Personalrats eine – allerdings nur vorläufige – Regelung erfordert, um die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen (BVerwG v. 16.12.1992, a.a.O.) oder wenn ein Abwarten die beabsichtigte Maßnahme vereiteln oder dadurch einem Betroffenen ein Schaden entstehen würde, der in keinem Verhältnis zum Nutzen und Zweck der Mitbestimmung stünde (OVG NRW v. 22.5.1986, PersV 1991, 34).

Schuldhafte Herbeiführung der Unaufschiebbarkeit durch den Dienststellenleiter

Für die Feststellung, dass eine Maßnahme keinen Aufschub duldet und deshalb der Erlass einer vorläufigen Regelung notwendig ist, kommt es allein auf die objektiven Gegebenheiten an (BVerwG v. 25.10.1979, PersV 1981, 203). Ob der Dienststellenleiter auf Grund seines vorangegangenen Verhaltens, insbesondere also des Unterlassens der rechtzeitigen Einleitung des Beteiligungsverfahrens hinsichtlich notwendiger Maßnahmen, dazu beigetragen hat, dass eine Maßnahme jetzt unaufschiebbar ist, ist nicht maßgeblich. Mit Rücksicht darauf, dass die Vorschrift die Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben der Dienststelle sicherstellt, kommt es allein auf die objektive Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung an.

Vorwegnahme der endgültigen Regelung als Ausnahmefall

Im Regelfall muss die vorläufige Regelung so beschaffen sein, dass noch Raum für eine modifizierte Regelung auf Grund der Anregungen der Personalvertretung im weiteren Beteiligungsverfahren verbleibt. Dies schließt, wie oben dargelegt, aus, dass die vorläufige Regelung die endgültige bereits vorwegnimmt.

Diese Anforderung muss ausnahmsweise nur dann nicht eingehalten werden, wenn ein unverzügliches Handeln des Dienststellenleiters dringend geboten ist, die beabsichtigte Maßnahme der Natur der Sache nach weder sachliche noch zeitliche Einschränkungen zulässt und wenn die durch die Beteiligung der Personalvertretung eintretende Verzögerung nicht nur die Funktionsunfähigkeit der Dienststelle nach sich zöge, sondern zu einer Schädigung überragender Gemeinschaftsgüter oder –interessen führen würde (BVerwG v. 16.12.1992, ZfPR 1993, 76).

Zeitlicher Anwendungsbereich

Eine vorläufige Regelung kann sowohl vor Einleitung des erforderlichen Mitbestimmungs-/Mitwirkungsverfahren ergriffen werden als auch während eines bereits laufenden Beteiligungsverfahrens, weil sich dann erst die Unaufschiebbarkeit der Maßnahme herausstellt. Der Dienststellenleiter muss ein bereits eingeleitetes Mitbestimmungsverfahren fortsetzen bzw. dann, wenn ein Mitbestimmungsverfahren noch nicht eingeleitet worden war, dieses unverzüglich einleiten. Hierfür wird eine Frist von drei Arbeitstagen angesetzt werden können(OVG Hamburg v. 1.12.1994, PersV 1997, 305). Tut er dies nicht, ist die vorläufige Regelung unwirksam.

Mitteilungspflicht und Begründung

Der Dienststellenleiter muss der Personalvertretung die vorläufige Regelung in ihrem vollem Wortlaut mitteilen und diese begründen. Für die Begründung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, so dass diese schriftlich oder mündlich erfolgen kann. Die Begründung muss die o. g. Voraussetzungen der vorläufigen Regelung nachvollziehbar machen. Ohne eine Begründung ist die vorläufige Regelung unwirksam. Die schlichte Mitteilung, eine Maßnahme erfolge vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung, ist nicht ausreichend und macht die vorläufige Regelung unwirksam (BVerwG v. 16.12.1992, a.a.O.).

Rechtsschutz

Der Personalrat kann eine drohende Verletzung eines Beteiligungsrechts durch eine unzulässige vorläufige Regelung im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG abwehren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine vorläufige Regelung vollendete Tatsachen schaffen soll und nach Prüfung des Personalrats die hierfür erforderlichen strengen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Bearbeitungsstand: 4/2012

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