Digitalisierung und Ethik

Der Megatrend der Digitalisierung verändert den öffentlichen Dienst und das staatliche Handeln gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Gleichzeitig verändert Digitalisierung die Arbeit der im öffentlichen Dienst tätigen Menschen.  Dies wirft Fragen nach dem richtigen ethischen Umgang mit der Digitalisierung auf.

 

Ethik ist die Lehre vom richtigen Handeln. Abschließende Antworten dazu kann es kaum geben, wohl aber können Konfliktfelder und Fragestellungen herausgearbeitet werden, die diskutiert werden müssen. Fragen des ethischen Handelns stellen sich unter anderem auf den folgenden Ebenen: Der digitale Bürger, automatisierte staatliche Entscheidungsfindung und der Beschäftigte in seiner Doppelrolle als Handelnder und Betroffener. Antworten auf dieses Fragen sind essentiell, um die Entwicklung zu begleiten und auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Digitalisierung sicherzustellen.

 

Es ist nahezu unmöglich, in unserer Gesellschaft keine Daten zu hinterlassen. Die hinterlassene Datenmenge steigt rasant, die Verarbeitung wird schneller, die Verknüpfung von Daten und Analyse wird besser und genauer. Das Vertrauen in die Sicherheit und den Schutz von personenbezogenen Daten ist eine Grundvoraussetzung für eine friedliche und erfolgreiche digitale Transformation. In Einklang gebracht werden müssen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Datennutzung und Verwendung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist abgeleitet aus der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Menschenwürde. Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

 

Die DSGVO fasst diese Position auf Gesetzesebene zusammen, wenn sie festlegt (Art 22 Abs. 1 DSGVO), dass die von der Datenverarbeitung betroffenen Person das Recht hat, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt. Einer Entwicklung, wie sie derzeit etwa in China abläuft, wo alle Bürgerinnen und Bürger sowie sämtliche Lebensbereiche im Wege digitaler Datenerhebung vom Staat einem Social Scoring ausgesetzt werden sollen, muss selbstredend Einhalt geboten werden. Dazu gehört auch, dass perspektivisch die deutschen bzw. europäischen Standards zum Datenschutz auch auf internationale Ebene eine Messlatte bilden.

 

Die künftigen Einzelfälle werden sich nur im Rahmen eines Interessenausgleichs lösen lassen. Fraglich ist dabei, ob der klassische deutsche Weg des Ausgleichs per Gerichtsentscheidung noch die nötige Geschwindigkeit hat oder ob zum Entscheidungszeitpunkt Sachverhalte dann schon zeitlich überholt sind. Die digitale Welt kann neue moderierte Entscheidungsformen jenseits des Gerichtsverfahrens notwendig machen.

 

Algorithmen, automatisierte Entscheidungsprozesse und selbstlernende Systeme halten Einzug in den Verwaltungsalltag. Sie beeinflussen Verwaltungsentscheidungen oder treffen sie – beispielsweise bei der Erstellung und dem Versand offizieller Schreiben oder der Einteilung von Bürgerinnen und Bürgern in bestimmte Kategorien. Deswegen berührt die Diskussion hierüber sowohl das effiziente staatliche Handeln auf der einen Seite als auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in dieses Handeln auf der anderen Seite. Nicht nur die Entscheidungen, sondern auch der Weg zu diesen Entscheidungen wird zukünftig in einer digitalisierten Gesellschaft auszuloten sein. Auch hier gilt, dass der Mensch nicht zum Objekt staatlichen Handelns werden darf, sondern Subjekt bleiben muss. Grundrechtspositionen müssen berücksichtigt und einem Ausgleich zugeführt werden, dies muss bereits bei der Schaffung automatisierter Entscheidungsprozesse stattfinden. Um Grundrechtspositionen zu gewährleisten, muss der gesamte Prozess transparent und nachvollziehbar ablaufen.

 

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind in zweifacher Weise von der Digitalisierung betroffen. Ihre Aufgabe ist es, die Anwendung neuer Hard- und Software und die Einführung und Durchführung völlig neuer Entscheidung und Verwaltungsprozesse mit den rechtlichen Vorgaben und den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger in Einklang zu bringen. Angesichts der technischen Möglichkeiten und der Schnelligkeit neuer Entwicklungen wird diese Aufgabe immer schwerer. Gleichzeitig verändert sich für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die Arbeitswelt rasant. Die Hochverfügbarkeit von Daten und deren Nutzbarkeit betrifft selbstverständlich auch Daten, die Aussagen über Arbeitsmenge und Leistung, über Gesundheit und persönliche Umstände oder über örtlichen Aufenthalt treffen. Die Möglichkeiten von Kontrolle durch Dienstherrn oder Arbeitgeber, die Verwertbarkeit von Daten im Zuge von Beurteilungen oder Aufstiegen oder allein die Möglichkeit der Kenntnisnahme von Gesundheitsdaten bergen sowohl Chancen als auch Risiken.

Interessenvertretungen und Arbeitgeber werden in Zukunft folgende Punkte miteinander klären müssen

  • Wesentliche Entscheidungen sind weiterhin von Menschen zu treffen.
  • Dimensionen wie Chancengleichheit, Gleichstellung und Diversität müssen bei der Erstellung und Anwendung von automatisierten Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.
  • Daten, die der Staat nicht erheben darf, sind klar zu benennen.
  • Der Umgang mit Daten muss hinreichend geschützt, transparent und sensibel erfolgen.

Ansatzpunkte für Betriebs-/Personalrat

  • Datenschutz und der Umgang mit automatisierten Entscheidungsverfahren müssen erlernt werden. Betriebs-/Personalräten kommt die Aufgabe zu, die erforderliche Qualifizierung der Beschäftigten einzufordern.
  • Hierzu gehört auch, dass Betriebs-/Personalräten das erforderliche Knowhow zugänglich gemacht wird; sei es durch Schulungen oder durch die Hinzuziehung externen Sachverstandes.
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