Bund und Kommunen
Kein vorzeitiges Ende der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass auch, wenn die Anzahl der schwerbehinderten Arbeitnehmenden im Betrieb unter den maßgeblichen Schwellenwert sinkt, die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig endet, sondern trotzdem weiterläuft (BAG, Beschluss vom 19. Oktober 2022, Aktenzeichen 7 ABR 27/21).
Der Fall
In einem Kölner Betrieb der Arbeitgeberin mit circa 120 Mitarbeitenden wurde im November 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. In § 177 des Sozialgesetzbuches (SGB) IX finden sich die Grundsätze zur Wahl und zur Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung. Danach müssen in Betrieben, in denen mindestens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Vertrauensperson und mindestens eine stellvertretende Person gewählt werden. Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt sodann vier Jahre. Im August 2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in dem Betrieb auf vier. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass das Amt der Schwerbehindertenvertretung dadurch vorzeitig erloschen sei und die im Betrieb verbliebenen schwerbehinderten Beschäftigten nunmehr durch die Schwerbehindertenvertretung eines anderen Betriebes der Arbeitgeberin vertreten würden. Hiergegen wehrte sich die Schwerbehindertenvertretung klageweise und begehrte die gerichtliche Feststellung, dass ihre Amtszeit nicht vorzeitig beendet sei. Nachdem sie in den Vorinstanzen noch unterlag, obsiegte die Schwerbehindertenvertretung nunmehr vor dem BAG.
Die Entscheidung
Das BAG stellte fest, dass das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig erloschen ist. Denn es gibt keine ausdrückliche Regelung im Gesetz, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX vorsieht. Zudem ist eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit laut BAG nicht, auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts, geboten. Anders als die Vorinstanzen sah das Gericht hier keine Parallele oder Übertragbarkeit aus dem Betriebsverfassungsrecht.
Das Fazit
Ein kurzer knackiger Beschluss des BAG, der sich rein am Gesetzestext orientiert und damit Klarheit schafft. Gerade bei Kündigungen von schwerbehinderten Arbeitnehmenden haben Arbeitgebende zukünftig verstärkt darauf zu achten, die Schwerbehindertenvertretung – auch beim Absinken der Anzahl schwerbehinderter Mitarbeitender unter den Schwellenwert – vor einem Kündigungsausspruch anzuhören. Anderenfalls sind die Kündigungen gemäß § 178 Absatz 2 SGB IX unwirksam.