Veränderte Teamzuordnung kann mitbestimmungspflichtige Versetzung sein

Die Zuordnung von Mitarbeitenden zu einem anderen Team kann in einem größeren Betrieb eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG sein, wenn die Neuzuordnung ein neues „Arbeitsregime“ mit sich bringt (Landesarbeitsgericht Thüringen, Beschluss vom 9. Mai 2023, Aktenzeichen 1 TaBV 5/22).

Der Fall

Die Antragsgegnerin entwickelt, produziert und vertreibt Autoscheinwerfer. Sie beschäftigt über 900 Mitarbeitende. Die Mitarbeiterin G war zunächst als so genannte Produktionsversorgerin im Team H der Abteilung Vorfertigung tätig. Sodann wurde sie im Team I derselben Abteilung eingesetzt, wo sie ebenfalls als Produktionsversorgerin arbeiten sollte. Das Schichtmodell blieb dabei gleich, es veränderte sich lediglich die konkrete Arbeitszeit. Der antragstellende Betriebsrat wurde hierzu nicht angehört. Erst nachdem er dies bei der Antragsgegnerin anmahnte, beantragte diese die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Mitarbeiterin G aus Team H in Team I. Als Grund gab die Antragsgegnerin den eigenen Wunsch der Mitarbeiterin an.

Der Betriebsrat rügte daraufhin die Unvollständigkeit der Angaben. Vor Gericht beantragte er, die Versetzung der Mitarbeiterin unter Androhung eines Zwangsgeldes aufzuheben. Nachdem erstinstanzlich dem Antrag auf Aufhebung der Versetzung stattgegeben worden war, legte die Arbeitgeberin Beschwerde ein. Diese wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen nun zurück.

Die Entscheidung

In der Sache ging es um die Frage, ob die Zuordnung zu dem anderen Team eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG war. Der Begriff „Versetzung“ wird in § 95 Abs. 3 BetrVG definiert als die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Fraglich war vorliegend lediglich, ob die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vorlag. Der Arbeitsbereich wird wiederum in § 81 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BetrVG umschrieben durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs.

Entscheidend ist, ob mit den betrieblichen Verhältnissen vertraute Beobachtende die neue Tätigkeit als eine andere ansehen würden. Dafür kann in größeren Betrieben auch ein innerbetrieblicher Wechsel von einer betrieblichen Einheit in eine andere ausreichen. Maßgebend ist dabei jeweils die kleinste organisatorische Einheit, der eine Leitung mit arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnissen vorsteht.

Die schutzwürdigen Interessen von Arbeitnehmenden sind nämlich berührt, wenn aufgrund des Wechsels nun im konkreten Arbeitsalltag ein spürbar anderes „Arbeitsregime“ gilt. Hierzu nahm das Gericht die Befugnisse der Teamleitenden in den Blick und kam zu der Überzeugung, dass diese über entsprechend ausreichend arbeitsrechtliche Befugnisse verfügten. So wurden zwar Urlaubsanträge, sofern Teamleitende sie nicht ablehnten, letztendlich von Fertigungsgruppenleitenden genehmigt – die Ablehnung eines Urlaubsantrags nahmen Teamleitende aber selbst vor. Zudem führten sie auch Krankenrückkehrgespräche und seien daher in der Wahrnehmung der Betriebsparteien offenbar direkte Vorgesetzte. Insbesondere oblag es ihnen auch, konkrete Maßnahmen für die Abwendung der Ursachen der Erkrankung zu ergreifen.

Ein anderes Arbeitsregime ist auch aufgrund des anderen personellen Zuschnitts des neuen Teams anzunehmen, obgleich die Mitarbeiterin in derselben Abteilung derselben Tätigkeit als Produktionsversorgerin nachging. Bei Unterauslastung der Produktionsversorger im Team müssen diese nämlich als Maschinenbedienende tätig werden. Wie oft dies der Fall ist, hängt also von dem personellen Zuschnitt des jeweiligen Teams ab. Die unterschiedliche Anzahl von Produktionsversorgern in den Teams wirkt sich zudem auf die Wahrscheinlichkeit der Genehmigung von Urlaubsanträgen aus, da eine Vertretung entsprechend einfacher oder schwieriger umzusetzen ist.

Daher ging das Gericht von einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG aus. Im Zuge dessen stellte es außerdem klar, dass es hierbei unerheblich sei, ob die Versetzung auf Wunsch der Beschäftigten erfolgt sei. § 99 Abs. 1 BetrVG schütze nicht nur die Interessen der einzelnen Arbeitnehmenden, sondern vielmehr auch die Kollektivinteressen der Belegschaft insgesamt, die durch die Versetzung ebenfalls betroffen seien. Da die Zustimmung fehlte – insbesondere wurde sie auch nicht durch die spätere Mitteilung über den bereits erfolgten Teamwechsel nachgeholt – durfte der Betriebsrat nach § 101 BetrVG die Aufhebung der Maßnahme verlangen.

Fazit

Das Urteil setzt den Gedanken des § 99 Abs. 1 BetrVG konsequent und arbeitnehmendenfreundlich um. Auch wenn Beschäftigte unter derselben Tätigkeitsbezeichnung in derselben Abteilung tätig bleiben, kann die Zuordnung zu einem anderen Team – wie das vorliegende Urteil anschaulich verdeutlicht – die Arbeitsbedingungen so erheblich verändern, dass von einem neuen Arbeitsbereich und damit von einer Versetzung auszugehen ist. 

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