Mitbestimmung bei der Vergütungsanpassung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds

Dem Betriebsrat steht kein Mitbeurteilungsrecht bei der Anpassung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds zu, da es sich bei der Frage nicht um eine Ein- oder Umgruppierung im Sinne von § 99 Absatz 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) handelt (Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 26. November 2024, Aktenzeichen 1 ABR 12/23).

Der Fall

Der von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellte Betriebsratsvorsitzende wurde bis Ende Mai 2020 von der Arbeitgeberin entsprechend der Vergütungsgruppe VI des Vergütungstarifvertrags für die Beschäftigten der Mitgliedsbetriebe der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe in Sachsen (TV) vergütet. Im März 2021 absolvierte er das „A-Führungskräftepotenzial Assessment Center“, das für die Übernahme der Position als Werkstattleiter notwendig war. Danach zahlte die Arbeitgeberin ihm rückwirkend zum 1. Juni 2020 ein Entgelt entsprechend der für diese Tätigkeit einschlägigen Vergütungsgruppe VIII TV. Der Betriebsrat war der Auffassung, er hätte gemäß § 99 Absatz 1 BetrVG bei der Frage der Anpassung des Arbeitsentgelts seines Vorsitzenden beteiligt werden müssen. Die Arbeitgeberin sah dies anders und argumentierte, dass die Anpassung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder keine mitbestimmungspflichtige Ein- oder Umgruppierung im Sinne von § 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG sei. Erstinstanzlich entschied das Arbeitsgericht, dass die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen habe. Das Landesarbeitsgericht wies den Antrag der Arbeitgeberin auf Durchführung eines Verfahrens nach § 99 Absatz 4 BetrVG zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht zurück. Dagegen legte die Arbeitgeberin Rechtsbeschwerde vor dem BAG ein.

Die Entscheidung

Das BAG erachtete die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin als begründet. Der Betriebsrat kann die Einleitung eines Verfahrens zur Mitbestimmung nach § 99 Absatz 1 BetrVG nicht verlangen, da es sich bei der Anpassung des Entgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Absatz 4 oder § 78 Satz 2 BetrVG nicht um eine der Mitbeurteilung des Betriebsrats unterliegende Ein- oder Umgruppierung handelt. Eine Eingruppierung nach § 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG ist eine erstmalige oder erneute Einreihung eines Arbeitnehmenden in eine betriebliche Vergütungsordnung. Unter einer Umgruppierung ist jede Änderung dieser Einreihung zu verstehen. Die Entgeltanpassung erfolgt in den Fällen des § 37 Absatz 4 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG jedoch nicht über eine Zuordnung der verrichtenden Tätigkeit in eine Vergütungsordnung, sondern entweder entsprechend der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmender oder zur Vermeidung einer Benachteiligung, wenn das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte. In § 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG ist nämlich geregelt, dass das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats nicht geringer bemessen werden darf als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmender mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Diese Regelung eröffnet einem Betriebsratsmitglied den Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts in dem Umfang, in dem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmender mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steigt. Dabei garantiert § 37 Absatz 4 BetrVG jedoch keine der Höhe nach identischer Vergütung. Die Regelung soll lediglich sicherstellen, dass die Entgeltentwicklung des Betriebsratsmitglieds nicht hinter derjenigen zurückbleibt, die vergleichbare Arbeitnehmende nach den betriebsüblichen Umständen absolvieren.

Dies gilt auch für eine Entgeltanpassung nach § 78 Satz 2 BetrVG. Laut dem allgemeinen Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgebende den Mitgliedern der in § 78 Satz 1 BetrVG genannten Arbeitnehmervertretungen eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Dies ist nicht nur auf die berufliche Tätigkeit, sondern auch auf das sich aus ihr ergebende Entgelt bezogen. Demnach kann ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung gestiegen ist, den Arbeitgebenden unmittelbar auf Zahlung des höheren Entgelts nach § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 611a Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch in Anspruch nehmen. Auch in diesem Fall wird nur ein möglicher Arbeitsplatz bewertet und nicht – wie für eine Ein- oder Umgruppierung erforderlich – die zu verrichtende Arbeitsaufgaben des Betriebsratsmitglieds.

Das Fazit

Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder beschäftigt die Gerichte immer wieder. Mit seinem Beschluss stellt das BAG die Reichweite der stark umstrittenen Frage des betrieblichen Mitbestimmungsrechts klar und macht deutlich, dass mit den Gehaltserhöhungen nach § 37 Absatz 4 und § 78 Satz 2 BetrVG lediglich die Vergütungen angepasst werden, die nicht mit einer Tätigkeitsänderung verbunden sind und daher keiner Mitbestimmung des Betriebsrats bedürfen.

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