Mitbestimmungsrecht bei Nutzung privater mobiler Endgeräte während der Arbeitszeit

(Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Juli 2020, Aktenzeichen 5 TaBV 178/19)

Sachverhalt

Betriebsrat und Arbeitgeberin streiten im vorliegenden Fall über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats anlässlich des Verbots der Nutzung privater Mobiltelefone und mobiler Endgeräte im Betriebsraum während der Arbeitszeit. Die Arbeitgeberin verwaltet eine Datenbank mit Luftfahrtinformationen. Die von so genannten Operatoren ausgeführten Tätigkeiten sind allesamt für die sichere Durchführung des Flugverkehrs relevant. Die Arbeiten werden im Betriebsraum in der Regel von vier bis sechs Mitarbeitenden verrichtet. Der so genannte Supervisor beaufsichtigt die Arbeitsausführung und unterstützt die Operatoren bei Fragen.

Nachdem trotz wiederholter Appelle eine zunehmende Nutzung privater Mobilfunktelefone und mobiler Endgeräte im Betriebsraum beobachtet worden war, untersagte die Arbeitgeberin ihren Mitarbeitern die Nutzung privater Mobiltelefone und mobiler Endgeräte während der Arbeitszeit im Betriebsraum. Diese könnten in Notfällen von Dritten über die Telefonnummer ihrer Vorgesetzten erreicht werden. Den Operatoren wurde gestattet, die Rufnummer der Supervisoren an Dritte weiterzugeben, damit sie in Notfällen telefonisch während der Arbeitszeit erreicht werden können. Der Betriebsrat wandte sich gegen diese Anordnung und vertrat die Ansicht, das Verbot unterliege seinem Mitbestimmungsrecht, da sie das Ordnungsverhalten der Mitarbeiter betreffe. Die Nutzung des privaten Mobiltelefons sei ausschließlich privat veranlasst und habe mit der Tätigkeit der „Eingabe von Fluginformationen“ nichts zu tun. Der Betriebsrat verlangte Unterlassung der Anordnung, hilfsweise die Feststellung, dass das Verbot dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unterliegt. Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Auch die Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) blieb erfolglos.

Urteilsbegründung

Der Betriebsrat hat zwar grundsätzlich neben dem allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen zu erwartende weitere Verstöße auch einen Anspruch auf Beseitigung eines mitbestimmungswidrigen Zustands. Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen lagen dafür hier aber nicht vor, da dem Betriebsrat das reklamierte Mitbestimmungsrecht nicht zusteht. Denn die Anordnung der Arbeitgeberin, die Nutzung privater Mobilfunktelefone und mobiler Endgeräte während der Arbeitszeit im Betriebsraum zu unterlassen, betrifft nicht Fragen der Ordnung des Betriebs.

Zwar hat das BAG entschieden, dass die Frage, ob im Betrieb während der Arbeitszeit Radio gehört werden darf, mitbestimmungspflichtig ist. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Vielmehr sind Fälle denkbar, in denen die Anordnung, während der Arbeit kein Radio zu hören, auch die Art und Weise betrifft, wie die Arbeit zu verrichten ist. Solche Fälle würden kein generelles Verbot rechtfertigen. Sie würden dem Arbeitgeber nur erlauben, die Tätigkeiten zu bestimmen, bei denen kein Radio gehört werden darf. Infolgedessen handelte es sich im Streitfall nicht um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit in Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das Unterlassen der Nutzung privater Mobilfunktelefone und mobiler Endgeräte während der Arbeitszeit im Betriebsraum gehörte nämlich zum Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung. Es handelte sich nicht um ein arbeitsbegleitendes Verhalten, sondern um Tätigkeiten, denen die Arbeitnehmenden neben der Erledigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit nicht gleichzeitig nachgehen können. Während der Nutzung des WhatsApp-Dienstes muss die vertraglich geschuldete Arbeit, wenn auch nur für eine gewisse Zeitspanne, unterbrochen werden. Dies gilt nicht nur für Tätigkeiten der Operatoren betreffend Anfragen von Nutzern der Datenbank, sondern auch bei der Behandlung von Problemstellungen, bei denen die Operatoren Verkehrsmeldungen pflegen, prüfen und korrigieren sowie an die Teilnehmenden am Luftverkehr elektronisch weiterleiten. Entsprechendes gilt ferner für die Arbeit, bei der die Operatoren flugsicherungsrelevante Daten in die elektronische Datenbank einspeisen. Damit wird in allen Arbeitsbereichen das „wie“ der Arbeitsleistung gestaltet. Das Verbot, die Gerätschaften während der Arbeit im Betriebsraum zu nutzen, stellt mithin eine Konkretisierung der Art und Weise der Arbeitserbringung dar, denn es wird unmittelbar die zu erbringende Arbeitsleistung berührt. Ebenso wie es dem Arbeitgebenden erlaubt ist, die Tätigkeit zu bestimmen, bei denen kein Radio gehört werden darf, ist es ihm auch gestattet, die Tätigkeit festzulegen, bei denen kein Mobilfunktelefon beziehungsweise mobile Endgeräte genutzt werden dürfen. Einen weitergehenden Inhalt hatte die Anordnung der Arbeitgeberin nicht. Sie war auf die konkrete Arbeit bezogen und es geht nur um die Nutzung der Gerätschaften am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit und damit die arbeitstechnische Gestaltung des Arbeitsablaufs.

Aussichten

Es ist nicht neu, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr Smartphone, Tablet oder Laptop zur Arbeit mitbringen oder auch für dienstliche Zwecke nutzen. Werden in einer Nutzungsvereinbarung zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden konkrete Verhaltensregelungen bei der Endgerätenutzung getroffen, wird eine Mitbestimmungspflicht anzunehmen sein, sofern ein Bezug zur betrieblichen Ordnung gegeben ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Das LAG Hessen stellte in dem hier vorgestellten Fall ebenso wie die erste Instanz jedoch fest, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht bestehe, weil die private Nutzung privater Mobiltelefone und mobiler Endgerät in den Betriebsräumen während der Arbeitszeit keine Frage der Ordnung im Betrieb darstellt. Es begründete seine Entscheidung damit, dass bei der Nutzung privater Mobiltelefone – insbesondere von WhatsApp – die vertraglich geschuldete Arbeit der Mitarbeitenden unterbrochen werde. Dies habe zur Folge, dass dadurch in allen Arbeitsbereichen die Art und Weise der Arbeitserbringung gestaltet werde. Dem Arbeitgebenden sei es gestattet, Tätigkeiten zu bestimmen, bei denen kein Mobilfunktelefon beziehungsweise mobiles Endgerät genutzt werden dürfe. Die Anordnung sei auf die konkrete Arbeit im Betriebsraum bezogen und es gehe nur um die Nutzung der Gerätschaften am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit.

Es bleibt abzuwarten, wie das BAG im Rahmen der derzeit anhängigen Rechtsbeschwerde entscheiden wird.

Über die Problematik der dienstlichen Nutzung privater Endgeräte in der heutigen Arbeitswelt haben wir bereits in der tacheles-Ausgabe Nr. 9 vom September 2019 berichtet.

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