dbb magazin 03/2016 - page 16

blatt am 24. Oktober 2015 in
Kraft. „Wir hatten Vorabinfor-
mationen, dass wir Sprach­
kurse als Ersatzvornahme
anbieten dürften, um das
Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge zu entlasten – und
haben rechtzeitig den Land-
kreis sowie die infrage kom-
menden Bildungsträger ins
Boot geholt“, erzählt Walde-
mar Dombrowski. Eigentlich
sei das ja keine Aufgabe der
Arbeitsvermittlung, fügt er
hinzu. „Aber wir haben das
hinbekommen: Am 4. und
7. November starteten die
ersten beiden Kurse.“
Dann ging es zügig weiter. Bis
Ende Dezember 2015 wurden
in den Landkreisen Fulda und
Bad Hersfeld-Rotenburg von
der Arbeitsagentur insgesamt
33 Deutsch-Einstiegskurse mit
706 Teilnehmerinnen und Teil-
nehmern realisiert. Mitte März
2016 werden die letzten been-
det sein – Fortsetzung nicht
vorgesehen. Zwischenzeitlich
hat das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge (BAMF)
das Angebot an Integrations-
kursen jedoch ausgeweitet.
„Auch wenn die Organisation
der Kurse eine On-top-Aufgabe
für uns war: Die Befristung der
Maßnahme ist dennoch be-
dauerlich, wenn man den Nut-
zen bedenkt, den die Flücht­
linge daraus ziehen“, sagt
Dombrowski. „Die Menschen
erleben, dass wir sie unterstüt-
zen und bleiben dem Angebot
treu“, bekräftigt Bereichsleite-
rin Lisa Moises. „Wir könnten
die Kurse als Auftragsaufgabe
mit zusätzlichem Personal und
Steuermitteln weiter durch-
führen. Aber – und das habe
ich nachfragenden Abgeordne-
ten gesagt – das muss die Poli-
tik entscheiden“, ergänzt der
Agenturchef.
Sabine Wittig lässt lesen.
24 Augenpaare versenken den
Blick ins Lehrbuch. Ahmad at-
met tief durch: „Guten Tag,
mein Name ist Tom Becker.
Ich hatte die ganze Nacht
Zahnschmerzen. Kann ich für
heute einen Termin haben?“.
Saif übernimmt den Part der
Sprechstundenhilfe: „Sie kön-
nen heute Abend um 18 Uhr
vorbeikommen, bitte bringen
Sie Ihre Versichertenkarte mit.“
Ahmad: „Die habe ich immer
dabei.“
„Danke“, sagt Sabine Wittig,
der Zeigefinger ihrer rechten
Hand schnellt in die Höhe –
vermittelt der Gruppe ein
„Achtung – jetzt kommt et-
was Neues.“ Es folgt ein Frage-
und Antwort-Spiel: „Welche
Schmerzen kennt ihr noch?“
Jetzt recken sich die Hände der
Schüler. Sie waren im Dezem-
ber in ihrer in einem kleinen
Dorf in der Rhön gelegenen
Flüchtlingsunterkunft gefragt
worden, ob sie Interesse an ei-
nem Einsteigersprachkurs ha-
ben. Sie sind seit 11. Dezember
2015 an jedemWochentag im
Dorfgemeinschaftssaal er-
schienen, um zu lernen. Fünf
Tage je acht Stunden, ergibt
hochgerechnet auf die acht­
wöchige Kursdauer 320 Stun-
den: Eine unschätzbar wertvol-
le Gelegenheit, nicht nur die
Sprache zu lernen, sondern
wichtige Informationen über
das Alltagsleben in Deutsch-
land und die Umgangsformen
der Deutschen aufzunehmen.
Veranstalter des Kurses, in
dem Sabine Wittig gerade den
menschlichen Körper und die
Liste möglicher Schmerzen
durchnimmt, ist das Weiterbil-
dungszentrum (WBZ) Rübsam.
Das auf die fachspezifische
Weiterbildung, insbesondere
im handwerklich-technischen
Bereich, spezialisierte Unter-
nehmen gehört zu den 16 Bil-
dungsträgern, die einen
Sprachkurs nach § 421 SBG III
durchführen.
An diesem Tag ist die Gruppe
mit zwei Bussen in die WBZ-
Zentrale ins nordöstlich an Ful-
da angrenzende Petersberg ge-
bracht worden. Dort sollen sie
am Nachmittag auch die Lern-
werkstatt kennenlernen. Ge-
schäftsführerin Susanne Hart-
mann wird die Gelegenheit
nutzen, die Entwicklung der
„Schüler“ weiter zu verfolgen.
Ihre Aufgabe ist es, in Zusam-
menarbeit mit den Dozentin-
nen ein erstes „Profiling“, eine
Bewertung anzufertigen, die
hilft, individuelle Fähigkeiten
und Begabungen zu identifizie-
ren, um folgende Förderange-
bote der Arbeitsagentur pass-
genauer zuschneiden zu
können.
An den anderen Tagen findet
der Unterricht im Dorf der
Flüchtlinge in der Rhön statt.
Das rief wiederum die in der
Nachbarschaft ansässige
Sabine Wittig auf den Plan.
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... und überwindet mithilfe ihrer Gesten Verständnislücken.
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„Welche Schmerzen kennt Ihr noch?“ Förderschullehrerin Sabine Wittig vermittelt im Deutschkurs Alltagswissen ...
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