dbb magazin 03/2016 - page 26

mittlerweile flächendeckend
eingeführt – allerdings gibt es
auch hier noch Probleme bei
der Umsetzung“, erklärt Geyer.
Auf der Habenseite sieht Geyer
auch Telekom und Post gut
aufgestellt, was den Zusam-
menhang vom Arbeitsmarkt
und Mindestlohn betrifft:
„Hier hat die Einführung des
Mindestlohns zu keinen nega-
tiven Auswirkungen geführt.
Das Gleiche kann auch für den
Bereich der Call-Center konsta-
tiert werden. Dort sind mehr
sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze geschaffen wor-
den und es werden nach wie
vor Fachkräfte gesucht – trotz
Mindestlohn.“ Kritisch sieht
der Gewerkschafter allerdings
Tendenzen, dass der Mindest-
lohn von Firmen „ausgetrickst“
wird, besonders in Betrieben
ohne Betriebsrat: „Es ist davon
auszugehen, dass der Arbeitge-
ber in Betrieben ohne Betriebs-
rat immer wieder versucht, die
gesetzlich vorgeschriebene
Zahlung des Mindestlohns
durch Lohnkürzungen an ande-
rer Stelle zu ,refinanzieren‘. Be-
zogen auf den Call-Center-Be-
reich bedeutet dies, dass eine
Lohnerhöhung durch Einfüh-
rung des Mindestlohns nicht
eins zu eins in den Portemon-
naies der Beschäftigten an-
kam, da gleichzeitig andere
leistungsorientierten Vergü-
tungsbestandteile gekürzt
wurden. Diese Vorgehensweise
ist sogar in den Betrieben zu
beobachten, die einen Be-
triebsrat haben.“
Für die DPVKOM stehe jedoch
fest, dass auch dort, wo keine
betrieblichen Interessenvertre-
ter vorhanden sind, Mindest-
lohn gezahlt werden müsse.
Dessen ungeachtet stelle der
Mindestlohn nur eine Min-
destabsicherung dar. „Bessere
Löhne und kontinuierliche
Lohnerhöhungen werden am
ehesten durch Tarifverträge
erzielt, die von den Gewerk-
schaften ausgehandelt wer-
den. Vor allem in der Call-Cen-
ter-Branche, in der es keine
Tarifverträge gibt, ist es daher
überaus wichtig, dass sich die
Beschäftigten in einer Gewerk-
schaft zusammenschließen –
am besten natürlich in der
DPVKOM“, empfiehlt Geyer.
Im Großen und Ganzen jedoch
sei der Mindestlohn eine Er-
folgsgeschichte, an der die
DPVKOMmaßgeblich beteiligt
war. Dennoch könne man ein
gutes Gesetz noch besser ma-
chen, so Geyer: „Es muss ge-
währleistet werden, dass der
Mindestlohn auch wirklich bei
den Beschäftigten ankommt.
Außerdem ist es wichtig, dass
die Zahlung des Mindestlohns
nicht durch die Beschäftigung
von Scheinselbstständigen um-
gangen wird. Hier muss der
Gesetzgeber tätig werden.
Darüber hinaus ist sicherzu-
stellen, dass die Zahlung des
Mindestlohns durch den Zoll
überprüft wird und Verstöße
gegen das Mindestlohngesetz
geahndet werden.“
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Zoll im Fokus
Die Kolleginnen und Kollegen
vom Zoll sind viel beschäftigt:
Die Erhebung der Kraftfahr-
zeugsteuer, die Kontrolle der
Schwarzarbeit sowie Abord-
nungen im Zuge des Flücht-
lingszustroms haben sie neben
ihren historisch gewachsenen
Aufgaben zu schultern. Auch
die Umsetzung des Mindest-
lohns kontrolliert der Zoll. Bun-
desfinanzminister Wolfgang
Schäuble hat dem Zoll im Janu-
ar 2015 1600 gesetzlich vorge-
sehene, zusätzliche Stellen ver-
sprochen. Trotzdem gibt es
immer wieder Begehrlichkei-
ten, Zollpersonal etwa zur Poli-
zei zu verlagern oder für andere
Aufgaben abzustellen. Dieter
Dewes, Bundesvorsitzender
des BDZ Deutsche Zoll- und
Finanzgewerkschaft, betont,
dass die neuen Stellen für die
Finanzkontrolle Schwarzarbeit
nicht zuletzt auf Drängen des
BDZ bewilligt worden sind:
„Gefordert hatten wir die Ein-
stellung von bis zu 2500 wei­
teren Beschäftigten. Denn seit
Inkrafttreten der Neuregelun-
gen zum 1. Januar 2015 hat der
Zoll mit der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit rund fünf Millio-
nen Beschäftigungsverhältnis-
se mehr im Blick als zuvor. Die
Bundesregierung hat die War-
nungen vor immensen Perso-
nalfehlbeständen in diesem
Arbeitsbereich viel zu lange
ignoriert.“ Das neue Personal,
dass zum 1. August 2015 einge-
stellt wurde, müsse zunächst
ausgebildet werden. Diese An-
wärterinnen und Anwärter
stünden also auch für die Kon­
trolle des Mindestlohns noch
gar nicht zur Verfügung. „Wir
haben von Anfang an verlangt,
das Zeitfenster der Ausbildung
beim Zoll zu nutzen, ummehr
Personal einzustellen“, so De-
wes, der darauf hinweist, dass
die ersten Nachwuchskräfte im
mittleren Zolldienst nach zwei
Jahren, im gehobenen Zoll-
dienst erst nach drei Jahren in
der Finanzkontrolle Schwarz­
arbeit tätig werden können.
„Erhebt man den Anspruch,
dass ab sofort die volle Aufga-
benbandbreite ausgefüllt wird,
kommt der Zuwachs also viel
zu spät. Die ursprünglichen
Planungen gingen davon aus,
jährlich 320 statt bisher 160
Nachwuchskräfte in die Finanz-
kontrolle Schwarzarbeit zu len-
ken – also 50 Prozent mehr als
bisher. Dieser Vorgang sollte
sich solange wiederholen, bis
die 1600 neuen Beschäftigten
da sind. Auch dann wäre das
Personal erst in rund fünf Jah-
ren komplett gewesen“,
kritisiert der Gewerkschafter.
Mit den Abordnungen in der
Flüchtlingskrise seien aber
auch diese Zahlen vorerst Ma-
kulatur, Personalaufwuchs in
Jan Brenner
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