dbb magazin 03/2016 - page 34

Einkommensteuer:
Kalte Progression
Der Begriff der kalten Progression wird oft
verwendet – doch was bedeutet er wirklich?
Die Erklärung funktioniert nicht ohne die Dar­
legung einiger grundlegender Begriffe aus der
Steuertariflehre.
Der deutsche Einkommen­
steuertarif verläuft progressiv.
Das bedeutet, dass der Steuer-
pflichtige nach Leistungsfähig-
keit besteuert wird. Vereinfacht
gesagt, muss derjenige, der
mehr Einkommen erzielt, auch
mehr Steuern zahlen. Und zwar
nicht nur absolut, sondern auch
relativ im Vergleich zum erziel-
ten Einkommen. Konkret: Bis
zu einem Jahresverdienst von
8 652 Euro (Grundfreibetrag
2016) wird keine Steuer fällig.
Hiermit will der Gesetzgeber
das Existenzminimum eines je-
den Steuerpflichtigen gewähr-
leisten. Diesen Bereich nennt
man dementsprechend auch
Nullzone.
Über 8 652 Euro beginnt der
Eingangssteuersatz mit 14 Pro-
zent und steigt bis auf 42 Pro-
zent ab einem Einkommen von
53 666 Euro und bleibt dann
vorerst konstant. (Darüber hin-
aus existiert für zu versteuern-
de Einkommen ab 250 000
Euro die sogenannte Reichen-
steuer. In diesem Bereich ist
ein um drei Prozentpunkte hö-
herer Spitzensteuersatz zu
zahlen.) Wegen dieser relativ
niedrigen Grenze sind viele Ein-
kommensbezieher immittle-
ren Einkommensbereich be-
reits vom Spitzensteuersatz
betroffen. Zur Verdeutlichung
nehme man ein Einkommen
von 65 000 Euro, davon werden
8652 Euro nicht besteuert. Der
Verdienst über 8 652 Euro bis
53 665 wird mit Steuersätzen
zwischen 14 und knapp 42 Pro-
zent belegt (Progressionszone).
Für den Anteil ab 53 666 Euro,
das wären im konkreten Bei-
spiel 2 682 Euro, steigen die
Steuersätze nicht mehr an,
sondern verbleiben bei 42 Pro-
zent (Proportionalzone).
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Grenz- und Durch-
schnittssteuersatz
Zwei Begriffe seien jetzt noch
eingeführt. Die Grenzsteuer-
und die Durchschnittssteuer-
belastung. Unter ersterer ver-
steht man die Steuerbelastung,
die eintritt, wenn man einen
Euro mehr als ursprünglich ver-
dient. Als Beispiel mag die Pro-
gressionszone im Steuertarif
gelten. Mit jedem Euro Mehr-
verdienst verändert sich die
Steuerbelastung und nicht nur
absolut, sondern auch relativ.
Unter der Durchschnittssteuer-
belastung versteht man die ge-
samte Steuerbelastung im Ver-
hältnis zum (zu versteuernden)
Einkommen.
Nun zum eigentlichen Gegen-
stand der Ausführungen, der
sogenannten kalten Progressi-
on: Der Sachverständigenrat
zur Begutachtung der wirt-
schaftlichen Entwicklung hat
hierzu folgende treffende Aus-
sagen vorgenommen: „Es han-
delt sich somit umMehrbelas-
tungen der Bürger, die dann
auftreten, wenn die Grenzen
des Einkommensteuertarifs
trotz steigenden Preisniveaus
unverändert bleiben. Wegen
des progressiven Tarifs führt
dies dazu, dass Einkommens-
steigerungen in Höhe der Preis-
steigerungsrate zu höheren
Durchschnittssteuersätzen
führen. So erhöhen sich die
staatlichen Einnahmen relativ
stärker, selbst wenn die Wirt-
schaft preisbereinigt nur mit
geringen Raten wächst.“
Zur Verdeutlichung: Man gehe
von einer einprozentigen Infla-
tionsrate und einer gleich ho-
hen Gehaltserhöhung aus. In
diesem Fall wird der Vorteil der
Lohnerhöhung durch die pro-
gressive Besteuerung über-
kompensiert, obwohl der Steu-
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