dbb magazin 03/2016 - page 4

Interview mit Detlef Scheele, Vorstand Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit:
„Der Weg des Einzelnen in Arbeit
kann lang werden“
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Die Bundesagentur für Arbeit
(BA) steht vor einer großen He-
rausforderung, denn Flüchtlin-
ge sollen möglichst schnell in
den Arbeitsmarkt integriert
werden. Welche Chancen und
Perspektiven dafür sehen Sie?
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Detlef Scheele
Die Arbeitsaufnahme ist ein
wichtiger Schlüssel zur erfolg-
reichen gesellschaftlichen Inte-
gration von Flüchtlingen. Denn
Arbeit ist nicht bloßer Gelder-
werb, Arbeit ist die Quelle für
soziale Anerkennung, für Auto-
nomie und Teilhabe. Die BA
leistet dabei ihren Beitrag und
stellt sich dieser Integrations-
verantwortung.
Wir sind dabei ambitioniert
und gleichzeitig realistisch,
weil wir wissen: Der Weg des
Einzelnen in Arbeit kann lang
werden.
Die fehlende formale Qualifika-
tion eines Flüchtlings – so wie
sie in Deutschland üblich ist –
sagt zunächst gar nichts über
die mittelfristigen tatsächli-
chen Eingliederungschancen.
Es kommen junge Menschen.
Soweit wir wissen, sind sie gut
motiviert und sie haben zwar
berufliche, jedoch eben nicht
anerkannte berufliche Vorer-
fahrungen. Auf die vorhandene
Motivation und den Ehrgeiz der
Menschen sollten wir bauen.
Ihre Hoffnungen ruhen auch
auf unserer Organisation.
Die Flüchtlinge treffen dabei
auf einen Arbeitsmarkt in guter
Verfassung. 31 Millionen sozial-
versicherungspflichtig Beschäf-
tigte, 43 Millionen Erwerbstäti-
ge, mittelfristig stabile Wachs-
tumsprognosen, bei gleichzeiti-
gem demografischen Wandel:
Der Arbeitsmarkt kann den Zu-
strom an Flüchtlingen unter
quantitativen Gesichtspunkten
verkraften.
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Ein gutes Stichwort! In
Deutschland wird seit Jahren
auf den demografischen Wan-
del hingewiesen und die damit
verbundenen möglichen nega-
tiven Auswirkungen auf die
Wirtschaft. Hilft die derzeitige
Zuwanderung, diese möglichen
negativen Effekte abzumildern?
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Detlef Scheele
Zuwanderer können pers­
pektivisch helfen, den Bedarf
am Arbeitsmarkt in Deutsch-
land zu decken. Wir sollten
bei den Erwartungen, wann
eine Integration in den Ar-
beitsmarkt gelingt, realis-
tisch bleiben. Derzeit gehen
wir davon aus, dass im ersten
Jahr nach der Einreise zehn
Prozent eine Arbeit haben,
nach rund fünf Jahren die
Hälfte und nach 15 Jahren
70 Prozent.
Stefan Brending (2)
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Detlef Scheele
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