Istanbul-Konvention: Austritt der Türkei ist ein alarmierender Rückschlag

Kirsten Lühmann, stellvertretende Bundesvorsitzende des dbb beamtenbund und tarifunion, ist bestürzt über den angekündigten Austritt der türkischen Regierung aus der Istanbul-Konvention und fordert den türkischen Präsidenten Erdogan auf, dies zu überdenken.

Europa

Die Istanbul-Konvention des Europarats, die als wegweisender Vertrag zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gilt und von einer großen Mehrheit der europäischen Länder unterzeichnet und ratifiziert wurde, trat 2011 in Kraft und ist ein zentrales Instrument zur Bekämpfung sowohl psychischer als auch physischer Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, Zwangsheirat, weiblicher Genitalverstümmelung und sexueller Belästigung.

Kirsten Lühmann, die ebenso designierte Vorsitzende der Kommission für Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter der Europäische Union der Unabhängigen Gewerkschaften CESI ist, sagt hierzu: „Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein weltweites Problem, welches sich durch die Covid-19-Krise ausgeweitet hat. Insbesondere die häusliche Gewalt hat durch den anhaltenden Lockdown deutlich zugenommen. Der Austritt aus der Istanbul-Konvention, welcher unter den aktuellen Umständen noch dramatischer ins Gewicht fällt, ist ein großer Rückschlag für die Frauen in der Türkei. Eine Missachtung der Istanbul-Konvention ist gegen jegliche Grundsätze, für die die EU steht. Präsident Erdogan muss die Entscheidung rückgängig machen, wenn er jemals eine Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei haben will.“

„Präsident Erdogan begründete den Schritt damit, dass die Konvention die Einheit der Familien schädigt und Scheidungen fördert. Nach dieser Logik ist die Fortsetzung der Ehe wichtiger als die Verhinderung von Gewalt gegen Frauen. Das ist eine alarmierende Argumentation“, so Lühmann.

Carmen Jaffke, designierte Vizevorsitzende der CESI-Kommission für Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter und Vertreterin der CESI in der Europäischen Frauenlobby (EWL), betont: „Es besteht die ernste Gefahr, dass der beabsichtigte Austritt der Türkei auch Regierungen in EU-Ländern wie Polen zusätzlichen Auftrieb gibt, von der Konvention Abstand zu nehmen. Die EU muss sicherstellen, dass kein Mitgliedstaat aussteigt. Außerdem muss sie einer Ratifizierung der Konvention in allen EU-Ländern Vorrang einräumen. Bulgarien, die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn, Litauen und Lettland - diese Länder müssen alle noch handeln. Wenn sie dazu weiterhin keine Bereitschaft zeigen, muss Präsidentin von der Leyen einen Vorschlag für eine EU-Richtlinie vorlegen, damit die wesentlichen Elemente der Istanbul-Konvention in allen Mitgliedstaaten verbindliches Recht werden, was durch eine qualifizierte Mehrheit im Rat erreicht werden kann.“

 

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