standpunkt
Die Fragen nach der Zukunft
und der Finanzierung der Eu
ropäischen Union sind unbe
antwortet. Und beide Fragen
sind untrennbar verbunden
mit dieser Wahl. Wo es aber
starke europäische Führungs
mächte bräuchte, reden
Deutschland und Frankreich
größtenteils aneinander vor
bei. Während in mehreren
EU-Staaten Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit ausge
höhlt werden, vielerorts be
reits europaskeptische Popu
listen mitregieren, drohen
Europa und die Welt in eine
wirtschaftliche Schwäche
phase abzurutschen. Europa
ist stark mit sich selbst be
schäftigt, während sich die
Machtverhältnisse in der
Welt rasant ändern. Nationa-
le Kurzsichtigkeit behindert
den Blick aufs Ganze.
Wünschenswert wäre deshalb
ein Europawahlkampf, in dem
vor allem die Spitzenkandida
ten der europäischen Parteifa
milien mit ihren Zukunftsideen
und Strategien sichtbar wer
den und die Parteien engagiert
über europäische Zukunftsfra
gen streiten.
<<
Steht Europa vor
einer Schicksalswahl?
Zweifelsohne bedeutet dieses
Frühjahr eine Zitterpartie für
Europa. Das liegt nicht nur an
den Irrungen und Wirrungen
des Brexits. Vom 23. bis 26. Mai
finden die Wahlen zum Europä
ischen Parlament statt. Die
Wahlen erfolgen zu einem Zeit
punkt, zu dem populistische
und extremistische Parteien
und Bewegungen in praktisch
allen EU-Staaten viel Zuspruch
erfahren. Werden diese Kräfte
im Europäischen Parlament zu
stark, können sie die europäi
sche Politik blockieren. Die
Zeiten, in denen eine Große Ko
alition aus Christ- und Sozial
demokraten im Europäischen
Parlament Mehrheiten sicher
stellte, sind mit hoher Wahr
scheinlichkeit vorbei. Dreier-
wenn nicht sogar Viererbünd-
nisse werden erforderlich sein,
umMehrheiten im Parlament
zu ermöglichen. Gelingt das
nicht, droht der Europäischen
Union die Handlungsunfähig
keit. Denn das Europäische Par
lament nimmt inzwischen eine
so bedeutende Stellung im Ge
füge der Europäischen Instituti
onen ein, dass seine Lähmung
automatisch auch die Europäi
sche Union insgesamt lähmen
müsste.
<<
Was eigentlich
wichtig wäre
Müsste es nicht um die 2017
begonnene Zukunftsdebatte
gehen? Welches Europa wollen
die Bürgerinnen und Bürger,
und welche konkreten Ange
bote machen ihnen dazu die
Parteien? Zwar wird hinter den
Kulissen längst um die künftige
Finanzierung der EU, den nächs
ten mehrjährigen Finanzrah
men, gerungen. Es fehlt aber im
öffentlichen Raum an einer für
die Menschen verständlichen
Erzählung über die Notwendig
keit eines handlungsfähigen
Europas. Die Wahlprogramme
der Parteien übersetzen eher
die Identität dieser Parteien in
europapolitische Detailforde
rungen, als dass sie ein schlüssi
ges Gesamtkonzept für Europa
entwerfen.
Dabei ließen sich Details und
große Fragen durchaus zusam
mendenken. Was kann europäi
sche Politik zum Beispiel für den
Zusammenhalt der Europäerin
nen und Europäer tun, ohne die
bestehenden Zuständigkeiten
zwischen Union und Mitglied
staaten infrage zu stellen? Mehr
leistungsgerechte Besteuerung
in Europa wäre ein Großthema,
das angesichts seiner Komplexi
tät und der internationalen
wirtschaftlichen Verflechtung
auch genau auf die europäische
Ebene gehört. Die Frage der
Steuergerechtigkeit, der effekti
ven Bekämpfung von Steuerver
meidung und Steuerbetrug und
aggressiver Steuerplanung ist
vielleicht die wichtigste soziale
Frage Europas. An ihr hängt
nicht zuletzt die Finanzierbar
Dreier- wenn nicht sogar Viererbündnisse werden
erforderlich sein, um Mehrheiten im Parlament
zu ermöglichen. (...) sonst droht der Europäischen
Union die Handlungsunfähigkeit.
Am 26. Mai ist Europawahl
Diesmal geht es
um wirklich viel!
Noch wird der Europawahlkampf ganz vom
Brexit-Geschehen überlagert, der Blick auf die
Europawahl verdeckt. Diese ist aber angesichts
des Sturmangriffs der Europagegner weit mehr
als nur eine „kleine Bundestagswahl“.
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dbb
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dbb magazin | Mai 2019