dbb magazin 4/2019 - page 4

interview
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Wir müssen immer die Frage nach der
Finanzierbarkeit beantworten
dbb magazin
Die Rückkehr zur paritätischen
Finanzierung in der gesetzli­
chen Krankenversicherung wur­
de vollzogen. Trotzdem müssen
etwa Arzneimittelzuzahlungen
oder die Tagessätze bei statio­
nären Krankenhausaufenthal­
ten immer noch allein von den
Versicherten bezahlt werden.
Der dbb ist dafür, künftig alle
diese Leistungen über den Bei­
tragssatz und damit paritätisch
zu finanzieren. Wie stehen Sie
dazu?
Jens Spahn
Die paritätische Finanzierung
auch der Zusatzbeiträge haben
wir, wie im Koalitionsvertrag
vereinbart, zum 1. Januar 2019
umgesetzt. Rund 50 Millionen
Versicherte werden dadurch
spürbar entlastet. Als Gesund­
heitsminister muss ich auf der
anderen Seite dafür sorgen,
dass das ganze System in einer
älter werdenden Gesellschaft
auf Dauer finanzierbar bleibt.
Dazu tragen Zuzahlungen und
Eigenanteile bei. Und sie erin­
nern die Versicherten ab und
zu daran, dass medizinische
Versorgung Geld kostet.
Andererseits darf die Versor­
gung mit Medikamenten oder
anderen medizinischen Leis­
tungen in Deutschland keine
Frage der finanziellen Möglich­
keiten sein. Insgesamt ist der
Anteil der Zuzahlungen an den
GKV-Ausgaben mit unter zwei
Prozent im internationalen Ver­
gleich sehr gering. Das liegt
auch daran, dass sich gesetzlich
Versicherte von Zuzahlungen
befreien lassen können. Mehr
als zwei Prozent seines Brutto­
jahreseinkommens muss nie­
mand für verschreibungspflich­
tige Medikamente ausgeben.
Bei chronisch Kranken – zum
Beispiel Diabetikern oder Men­
schen mit rheumatischen Er­
krankungen – liegt die Grenze
bei einem Prozent. Knapp sechs
Millionen Mitglieder profitie­
ren von diesen Zuzahlungsbe­
freiungen. So sorgen wir einer­
seits für Stabilität im System,
belasten aber andererseits den
Einzelnen nicht über Gebühr.
Ich halte das für eine faire
Regelung.
Eine Entgeltersatzleistung –
ähnlich wie beim Elterngeld –
wäre aus Sicht des dbb, der
Mitglied im Beirat für die Ver­
einbarkeit von Pflege und Beruf
ist, ein probates Mittel, um
pflegende Angehörige zu ent­
lasten, die den Umfang ihrer
Arbeitszeit reduzieren oder
temporär aussetzen. Teilen
Sie diese Einschätzung?
Ich habe großen Respekt vor
dem, was pflegende Angehöri­
ge leisten. Der größte Pflege­
dienst der Nation sind die
Familien. Aus diesem Grund
haben wir in den vergangenen
Jahren viel getan, um pflegen­
de Angehörige zu entlasten:
Die Leistungen der Pflegever­
sicherung zur Renten- und Ar­
beitslosenversicherung wur­
den verbessert und es gibt
unter bestimmten Vorausset­
zungen einen Rechtsanspruch
auf Familienpflegezeit und
Pflegezeit. Aber auch ganz
praktische Dinge: Wird ein An­
gehöriger plötzlich pflegebe­
dürftig, muss viel organisiert
werden. Wer aus diesem Grund
kurzzeitig nicht arbeiten kann,
bekommt für maximal zehn
Tage eine Lohnersatzleistung.
Auch den Zugang zu einer sta<<
Jens Spahn
© Schinkel/BMG (2)
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