Jahrestagung: dbb fordert Investitionen und Innovation

Silberbach: Mehr öffentlichen Dienst wagen!

Ohne Investitionen und Innovation in den öffentlichen Dienst wird Deutschland existenzielle Zukunftsaufgaben nicht bewältigen, warnt der dbb.

„Digitalisierung, Klimaschutz auch durch ökologische Transformation der Wirtschaft, Bildung, sozialer Wandel, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Zuwanderung – ohne einen personell und technisch aufgabengerecht ausgestatteten, leistungsfähigen und motivierten öffentlichen Dienst werden diese Zukunftsaufgaben nicht zu bewältigen sein“, stellte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach zum Auftakt der dbb Jahrestagung am 10. Januar 2022 in Berlin klar.

Der öffentliche Dienst, personell auf Kante genäht und technisch oft im Vorgestern stecken geblieben, befinde sich seit Jahren „quasi im Dauer-Stresstest“. Die Beschäftigten warteten vergeblich auf spürbare Wertschätzung und die Erkenntnis von Arbeitgebern und Dienstherrn, „dass es allerhöchste Zeit ist, nachhaltig in Personal zu investieren und es mit attraktiven Arbeitsbedingungen auch zum Bleiben zu motivieren“, kritisierte der dbb Chef. Zudem betonte er, dass es nicht an den Beschäftigten liege, wenn der Staat in vielen Belangen nicht mehr so funktioniere, wie die Bürgerinnen und Bürger es zu Recht erwarteten. „Wenn man es aus politischer Saumseligkeit und Begeisterung für schwarze Nullen über Jahre versäumt, die Behörden und Verwaltungen krisenfest aufzustellen, darf man sich im Katastrophenfall nicht verwundert den Schlaf aus den Augen reiben“, sagte Silberbach. Er warnte: „So darf es nicht weitergehen. Ein Staat, dem die Menschen immer weniger vertrauen und der ihnen nicht so dient, wie sie es von ihm erwarten – solch ein Staat hat umgekehrt auch immer weniger von den Menschen zu erwarten. Wenn mit dem öffentlichen Dienst der Kitt unseres Staatsgefüges bröckelt, wenn sich das System langsam aber sicher in seine Einzelteile zerlegt, dann kommen uns der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Achtung von Recht und Gesetz, Solidarität und Respekt abhanden.“ Auch bei den Beschäftigten sei die Frustration groß über „Personalmangel, ständig mehr Aufgaben, uralte Technik und ein Wust an Bürokratie, der jede Innovation und Agilität im Keim erstickt.“

Der dbb Chef skizzierte einen klaren Fahrplan für eine nachhaltige Modernisierung des öffentlichen Dienstes und mahnte zur Eile: „Wir müssen jetzt einfach ins Machen kommen“, forderte Silberbach. Neben einer aufgabengerechten Personalausstattung und attraktiven Arbeitsbedingungen gelte es, die Digitalisierung der Verwaltung endlich tatsächlich umzusetzen. „Aktuell fehlen uns im öffentlichen Dienst insgesamt mehr als 330.000 Beschäftigte für die Erledigung der Aufgaben. Damit nicht genug: Fast 1,3 Millionen Kolleginnen und Kollegen sind über 55 Jahre und werden in den kommenden Jahren ausscheiden. 1,3 Millionen. Wie Bund, Länder und Kommunen diesen Verlust an Know-how und Arbeitskraft kompensieren wollen, ist bis heute schleierhaft“, unterstrich Silberbach. Die ohnehin nur schleppend anlaufende Digitalisierung alleine werde das Problem nicht lösen. Ohne Menschen sei auch in Zukunft kein Staat zu machen, und die Politik solle endlich aufhören, „das Personal immer nur als Kostenfaktor mit zwei Ohren zu betrachten. Investitionen in den öffentlichen Dienst sind Investitionen in Stabilität, Konjunktur, Bildung, Sicherheit und Wohlstand.“

Der dbb Chef forderte zudem allgemein mehr Respekt und Wertschätzung für den öffentlichen Dienst. „Die Kolleginnen und Kollegen im Staatsdienst sind nicht Blitzableiter von Amts wegen für eine Politik, die in der Kritik steht. Das müssen die, die politische Verantwortung tragen, immer wieder unmissverständlich klarmachen. Wer Menschen angreift, die unseren Staat und die Werte, für die er steht, repräsentieren und verteidigen, greift uns alle an. Deswegen erwarten wir von Politik und Gesellschaft mehr Schutz, mehr Respekt und mehr Rückhalt“, sagte Silberbach auch an die Adresse der neuen Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Die Ministerin kündigte in ihrer Antwortrede an, den öffentlichen Dienst stärken und seine Beschäftigten besser vor gewalttätigen Angriffen schützen zu wollen. Faeser, die seit Dezember erste Bundesministerin des Innern und für Heimat ist, betonte außerdem die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die sie bei der künftigen Ausgestaltung des öffentlichen Dienstes mit den Positionen des dbb sieht. „Die Zusammenarbeit mit Ihnen liegt mir sehr am Herzen. Wir wollen unser Land moderner und digitaler machen. Das geht nur mit einem starken öffentlichen Dienst. Wir wollen Vorbild und Antreiber sein: für Vielfalt, Gleichstellung und gute Arbeitsbedingungen“, sagte Faeser in ihrem Statement. Die neue Ressortchefin würdigte zudem den Einsatz der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im bisherigen Verlauf der Corona-Krise: „In dieser Pandemie leistet der öffentliche Dienst herausragende Arbeit. Er hält unser Land am Laufen, jeden Tag. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wachsen tagtäglich über sich hinaus. Viele halten tagtäglich den Kopf hin – trotz Anfeindungen, trotz eigener Infektionsgefahren, trotz Sorgen um Kinder oder Ältere in der eigenen Familie, trotz des Frusts und der Erschöpfung, die wir alle erleben. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken!“

Die Bundesinnenministerin kündigte weiterhin an, dass die neue Regierung ein verlässlicher Partner für Tarifbeschäftigte, Beamtinnen und Beamte, Soldatinnen und Soldaten, Richterinnen und Richter sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger sein werde. Grundsätzlich gehe es nicht immer darum, bei der monatlichen Gehaltshöhe jedes Rennen mit der Wirtschaft zu gewinnen. „Viel wichtiger ist, das Gesamtpaket aus Einkommen, sozialer Absicherung und attraktiven Arbeitsbedingungen zu sichern und herauszustellen. Der Schleifstein wäre dafür das völlig falsche Instrument“, betonte Faeser. Mit Blick auf die Zukunft des öffentlichen Dienstes gehe es ihr darum, konkret zu analysieren, was verbessert werden könne. „Wir wollen den Wettbewerb um die besten Köpfe gewinnen. Da gibt es viel zu tun: von den Arbeitsbedingungen über die Ausstattung bis hin zum Respekt. Wir sind uns einig, dass wir es nicht beim Applaus belassen dürfen“, stellte Faeser klar. Zwar sei die Bezahlung im öffentlichen Dienst längst nicht alles, „aber eine gute Bezahlung ist Ausdruck von Wertschätzung“. Mit Blick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr zur amtsangemessenen Alimentation versicherte die Bundesinnenministerin: „Wir werden für Besoldungs- und Versorgungsempfängerinnen und -empfänger eine zielorientierte und sachgerechte Lösung finden und sicherstellen, dass der Bund auch künftig verfassungsgemäß alimentiert. Wenn das zusätzliches Geld kostet, dann muss es uns dies wert sein.“

Eine klare Ansage gab es von Nancy Faeser in Sachen Gewalt gegen Beschäftigte: „Die Täter müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Wir brauchen einen besseren Schutz für Betroffene und wollen für eine wirkungsvolle Prävention sorgen.“ Die Bundesinnenministerin erneuerte auch ihre Warnung vor dem Rechtsextremismus, der „die größte Bedrohung für unsere Demokratie und für unsere offene und vielfältige Gesellschaft“ sei. „Diese Gefahr darf niemand mehr unterschätzen. Auch und erst recht nicht im öffentlichen Dienst.“ Wer nicht fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, habe in Behörden nichts zu suchen. Gemessen an der Gesamtzahl der öffentlich Beschäftigten rede man über sehr wenige Fälle, betonte Faeser, aber „jeder Extremismus-Fall ist einer zu viel. Verfassungsfeinde werden wir schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen als bisher“.

Für das Gelingen der Digitalisierung in Staat und Verwaltung will die Bundesinnenministerin, deren Haus weiterhin für die digitale Transformation zuständig ist, neue Kräfte freisetzen. Ein Digital-Check soll Gesetze darauf abklopfen, ob sie das Leben einfacher und digitaler machen. Die Digitalisierung müsse noch stärker in der Kultur der Verwaltung, in Aus- und Fortbildung verankert werden. Faeser betonte, dass ihr Ministerium mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), dem Registermodernisierungsgesetz, der Digitalisierung des Personalausweises und der IT-Konsolidierung des Bundes große Reformvorhaben stemme, wobei die Föderale IT-Kooperation (FITKO) eine wichtige Rolle spiele und personell sowie finanziell gestärkt werde. „Aber bitte kein aufwändiger Umbau oder eine neue Behörde“, sagte Faeser mit Blick auf die Forderung des dbb, die FITKO zu einer vollwertigen Digitalisierungsagentur mit entsprechenden Umsetzungs- und Durchgriffsrechten auszubauen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner bekräftigte in seinem anschließenden Impulsreferat ebenfalls, die Modernisierung des Staatswesens vorantreiben zu wollen. „Wachstum entsteht im Zentrum der Gesellschaft, durch privatwirtschaftliche Aktivität. Dafür sind gute und verlässliche Rahmenbedingung unerlässlich, insbesondere auch ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst“, sagte Lindner. Das gesamte Kabinett und er als Finanzminister, so Lindner, würden sich daher für eine bessere Bezahlung, klare Aufstiegschancen, moderne Arbeitsbedingungen und gesellschaftliche Wertschätzung einsetzen.

Linder unterstrich in diesem Zusammenhang grundsätzlich, dass die Bundesregierung sich ausdrücklich zum Berufsbeamtentum als einer tragenden Säule des öffentlichen Dienstes bekenne. Daher habe man auch innerhalb der Koalition vereinbart, die eigenständigen Systeme insbesondere bei der Krankheits- und Altersvorsorge der Beamtinnen und Beamten beizubehalten. „Alles andere würde der besonderen Bedeutung des Beamtentums nicht gerecht“, betonte der Bundesfinanzminister.

Bei der Modernisierung des öffentlichen Dienstes hob Linder die Digitalisierung und die Diversität heraus. „Arbeitsplätze sollen kein Museum sein“, stellte der Finanzminister klar und erklärte, dass mit Hilfe von bestehenden Kreditermächtigungen des Bunds in Höhe von 60 Milliarden Euro unter anderem aufgrund der Pandemie nicht erfolgte Investitionen in die technologische Transformation und Modernisierung des Staates vorgenommen werden sollen. Die geplante Reform der Ampel-Regierung für qualifizierte Einwanderung nach Deutschland stelle außerdem für den Staatsdienst eine Chance zur besseren Nachwuchsgewinnung bei gleichzeitiger Stärkung der Vielfalt dar.

Allgemein warnte Lindner mit Blick auf den Staatshaushalt allerdings vor zu hohen Erwartungen bezüglich der geplanten Investitionen: „Am Ende kann nur das an Wohlstand verteilt werden, was zuvor erwirtschaftet worden ist.“ Da die Bundesregierung ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten wolle, müssten von der Politik eindeutige Schwerpunkte gesetzt werden. Im Bereich des öffentlichen Dienstes nannte er als „prioritär“ Sicherheitsbehörden wie Polizei, Bundeswehr und Zoll sowie die Digitalisierung der Bildung.

Alle Informationen zur dbb Jahrestagung sowie insbesondere Berichte von den Podiumsdiskussionen zur Rolle des öffentlichen Dienstes bei der Migration, Digitalisierung und Klimaschutz gibt es unter www.dbb.de/jahrestagung.

 

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