Grundschulen fehlen bis 2025 mehr als 26.000 Lehrkräfte

Lehrermangel: „Schluss mit Lippenbekenntnissen“

Der Lehrkräftemangel verschärft sich dramatisch: Allein an Grundschulen fehlen laut einer neuen Analyse der Bertelsmann Stiftung bis 2025 mehr als 26.000 Lehrerinnen und Lehrer.

dbb Vize Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer (VDR), fordert die Politik auf, endlich „Schluss mit Lippenbekenntnissen“ zu machen. „Seit Jahren ist die eklatante Unterversorgung der Schulen in Deutschland mit qualifizierten Lehrkräften bekannt. Seit Jahren leiden nicht nur die Kolleginnen und Kollegen unter dem enormen Arbeits- und gesellschaftlichen Erwartungsdruck, der auf ihnen lastet, auch die Schülerinnen und Schüler bekommen die Auswirkungen dieser Mangelwirtschaft Tag für Tag zu spüren – Stundenausfall, Notenmangel, Unterricht im Schnelldurchlauf anstelle differenzierter Pädagogik. Die Verantwortlichen in der Politik aber winken seit Jahren ab und tun so, als sei alles halb so wild. Das ist eine geradezu zynische und skandalöse Verweigerungshaltung, mit der endlich Schluss sein muss“, forderte Böhm am 9. September 2019 in Berlin. „Die Menschen verstehen einen Staat nicht, der eine Schulpflicht auferlegt, seinem daraus folgendem Bildungsauftrag aber nicht nachkommt und die Schulen nicht nur baulich, sondern vor allem pädagogisch mehr oder weniger sich selbst überlässt. Nur dem großen Engagement der Lehrerinnen und Lehrern ist es zu verdanken, dass die negativen Folgen für die Bildungsqualität noch kein verheerendes Ausmaß angenommen haben. Aber die Kolleginnen und Kollegen sind mit ihrer Kraft am Ende, sie fühlen sich alleine gelassen und schlicht und ergreifend ganz mies behandelt. Hier darf es kein ‚Weiter so‘ geben. Die Länder müssen Schluss mit ihren Lippenbekenntnissen machen und konkrete Aktionspläne starten, die zügig Abhilfe und mittel- wie langfristig nachhaltige Lehrkräftereserven schaffen“, stellte Böhm klar.

Konkret sei jetzt eine aktive Nachwuchswerbung für Lehrkräfte angezeigt, die mit attraktiven Beschäftigungsbedingungen Menschen für den Lehrendenberuf gewinnt. „Dazu gehört zwingend der Beamtenstatus für Lehrerinnen und Lehrer, ebenso wie eine leistungsgerechte Bezahlung, flexible Arbeitszeit- und Karrieremodelle, eine ausgewogene Aufgabenverteilung und modern ausgestattete Schulen“, betonte der dbb Vize. Seiten- und Quereinsteiger könnten in der aktuellen Misere eine Übergangslösung zur Milderung sein, bedürften aber umfassender Qualifizierung und Unterstützung. Die Politik, namentlich die Konferenz der Kultusministerinnen und Kultusminister (KMK), solle sich zügig auf verbindliche Parameter einer verlässlichen Bedarfsprognose einigen, die künftig in jedem Bundesland jahresaktuell zu erstellen sei. Böhm: „Es kann nicht angehen, dass die Bildungsplaner so etwas Grundlegendes seit Jahren nicht auf die Reihe bekommen und sich stattdessen in immer neuen Schulreformen, die kein Mensch braucht, verlieren und für einen dringend benötigten Digitalpakt Jahre brauchen, um ihn ins Werk zu setzen – in der Schule würde es für so eine desolate Leistung eine glatte 6 geben.“

Laut aktueller Analyse der Bertelsmann Stiftung werden im Jahr 2025 mindestens 26.300 Absolventinnen und Absolventen für das Grundschullehramt fehlen. Die KMK ist in ihrer Prognose aus dem Oktober 2018 hingegen von lediglich rund 15.300 fehlenden Lehrkräften ausgegangen. Die Diskrepanz ist auf einen stärkeren Anstieg der Schülerzahlen zurückzuführen. Ging die KMK im vergangenen Jahr noch davon aus, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe im Jahr 2025 bei 3,064 Millionen liegen würde, zeigt eine Schülerzahlenprognose auf der Basis der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamts, dass die Zahl der Grundschulkinder rund 3,232 Millionen betragen dürfte. Dies entspricht einem Plus gegenüber der KMK-Schätzung von rund 168.000 Schülern. Auch 2030 werden die Schülerzahlen absehbar höher liegen als von der KMK erwartet: Statt den von ihr geschätzten 3,019 Millionen muss dann im Primarbereich mit 3,181 Millionen Schulkindern gerechnet werden. Zu diesen Ergebnissen kommen die beiden Bildungsforscher Klaus Klemm und Dirk Zorn in ihrer für die Bertelsmann Stiftung erstellten Analyse, in der sie die Prognose der KMK mit der Schülerzahlentwicklung vergleichen, die sich aus der jüngsten Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamts ableiten lässt.

 

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