Leitlinien der Bundesrepublik müssen auch nach der Wahl die Weiterentwicklung der Europäischen Union sowie die transatlantische Partnerschaft sein, fordert der dbb.
„Die transatlantischen Beziehungen werden für Deutschland wie auch für die Europäische Union von grundlegender Bedeutung bleiben. Daher wird es unverzichtbar sein, den Dialog mit der kommenden US-Administration zu führen, auch wenn ein rauerer Wind aus Washington wehen sollte. Deutschland muss dabei seiner Verantwortung gerecht werden und trotz des heraufziehenden Wahlkampfs parteiübergreifend klare Signale an alle Partner senden: Gemeinsam wollen wir Demokratie und Rechtsstaat verteidigen“, sagte dbb Vize Andreas Hemsing beim 34. Europäischen Abend zum Thema „USA und Europa: Perspektiven und deutsche Verantwortung“ am 12. November 2024.
Klare Signale bräuchten auch die Bürgerinnen und Bürger, so Hemsing weiter: „Die Verunsicherung der Menschen spüren wir im öffentlichen Dienst sehr schnell, denn unsere Kolleginnen und Kollegen stehen tagtäglich im Kontakt mit ihnen. Verunsicherung aber ist Gift für die liberale Demokratie und die Abwehrkräfte gegen Populismus, der unsere rechtsstaatlichen Grundsätze porös werden lässt. Auch deshalb sind eine stabile europäisch-atlantische Ordnung und die Absicherung gegen eine autoritäre Umformung unserer Gesellschaft für uns im öffentlichen Dienst von allergrößter Bedeutung.“
Kopf: Brauchen geeintes Europa
Die Vizepräsidentin der Europa-Union Deutschland Chantal Kopf betonte zur Eröffnung des Europäischen Abends, dass die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und das Aus der Ampel-Koalition gezeigt hätten, dass es mehr denn je „aller Demokratinnen und Demokraten für ein geeintes und starkes Europa“ bedürfe. Es sei zudem an der nächsten Bundesregierung, sich in den Prozess der anstehenden EU-Erweiterungen einzubringen. „Insgesamt geht es jetzt mehr denn je darum, nationale und europäische Interessen zu verbinden“, analysierte Kopf. Das gelte für ein gesamtpolitisches Denken der Migrationspolitik ebenso wie für klare Konsequenzen für antidemokratische Tendenzen.
Diskussion: Wie geht es weiter mit der transatlantischen Partnerschaft?
In der anschließenden Diskussion widmeten sich die Bundestagsabgeordneten Verena Hubertz (stv. SPD-Fraktionsvorsitzende), Andreas Jung (stv. CDU-Bundesvorsitzender), Agnieszka Brugger (stv. Grünen-Fraktionsvorsitzende) und Bijan Djir-Sarai (FDP-Generalsekretär) den Perspektiven für das Verhältnis zwischen den USA und Europa – sowie der deutschen Verantwortung dafür.
Auf die Frage, ob Deutschland auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump vorbereitet sei, antwortete Verena Hubertz mit „Ja“. Die Regierung habe alle Eventualitäten durchdacht. Wie es nun tatsächlich kommt, könne niemand vorhersehen. Fakt sei jedoch: „Deutschland braucht die transatlantische Beziehung zu den USA und darf sie nicht abbrechen.“ Hinsichtlich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sei es aber – etwa mit Blick auf die Diskussion um Strafzölle – unerlässlich, dass die Europäische Union geschlossen auftrete. Hier gebe es aber noch Luft nach oben: Beispielsweise hätten noch nicht alle europäischen Staaten das Wirtschafts- und Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) in nationales Recht umgesetzt. „Es darf nicht sein, dass sich die Welt fünfmal dreht, bevor wir etwas zustande bekommen. Wir müssen unsere PS auf die Straße bekommen.“
Andreas Jung zeigte sich überzeugt: „Trump beeindruckt wirtschaftliche Stärke. Wir sollten aber nicht gegenseitig Zollgrenzen hochziehen. Stattdessen sollten wir für beide Seiten, der europäischen und der transatlantischen Partnerschaft, das Beste herausholen.“ Von einer besseren innereuropäischen Zusammenarbeit erhofft sich Jung für Deutschland insbesondere, dass etwa in der Energie- und Sicherheitspolitik vorhandene Synergien genutzt werden können: „In der Energiepolitik haben wir enge Partnerschaft gelobt, aber uns nicht auf eine Strategie geeinigt. Wir brauchen den Anspruch, die Dinge zusammenzubringen.“ Auch bei der Modernisierung der Bundeswehr gehe es nicht nur um Geld: „Wir müssen auch hier europäische Synergien nutzen.“
„Die zweite Amtszeit Trumps wird mit Sicherheit noch schlimmer als die erste“, warnte Agnieszka Brugger sah ebenfalls Handlungsbedarf hinsichtlich der deutschen und europäischen Sicherheit: „Wir müssen uns bei den Verteidigungsausgaben in Richtung drei Prozent bewegen und wir müssen die transatlantische Zusammenarbeit durch ein Netz von Kooperationsabkommen mit anderen Weltregionen ergänzen.“ Sie wies zudem darauf hin, dass Trump in seiner ersten Amtszeit bereits immer wieder – teils erfolgreich – versucht habe, die Europäer gegeneinander auszuspielen. „Er wird es wieder versuchen, gerade beim Thema Sicherheit. Also müssen wir in den nächsten Jahren massiv in die europäische Sicherheit investieren. Notfalls auch im Rahmen eines weiteren Sondervermögens.“
Bijan Djir-Sarai beantwortete die Frage, ob Deutschland gut auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump vorbereitet sei, im Gegensatz zu Hubertz mit einem klaren „Nein”. Die USA würden zukünftig eine „knallharte Interessenpolitik“ betreiben und sich auf die wirtschaftliche Auseinandersetzung mit China fokussieren. „Warum soll der amerikanische Steuerzahler die europäische Sicherheit finanzieren? Unter diesen Umständen brauchen wir mehr Europa. Wir müssen unsere Interessen artikulieren und unsere gemeinsamen Werte hochhalten.“ Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine äußerte Bijan Djir-Sarai die Sorge, dass „das am Ende ein Diktatfrieden sein könnte”, der zudem die Basis für weitere Konflikte biete. Auch hier müsse die EU sich stark und geschlossen präsentieren: „Die Putins dieser Welt beeindrucken wir nur mit wirtschaftlicher Stärke.“