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Beamtentum: Straffere und einheitliche Verfahren bei schweren Dienstvergehen

Der dbb ist für eine Straffung der Verfahrensdauer, wenn wegen schwerwiegender dienstlicher Verfehlungen von Beamtinnen und Beamten eine Entfernung aus dem Dienst notwendig wird.

Beamtinnen & Beamte

„Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit, die ein so gravierendes Dienstvergehen begehen, dass sie damit das Vertrauen des Dienstherrn beziehungsweise der Allgemeinheit endgültig verlieren, sind in einem straffen zeitlichen Rahmen aus dem Dienst zu entfernen“, betonte der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des dbb Friedhelm Schäfer beim dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST digital am 7. November 2022.

Zum Glück handele es sich um wenige problematische Einzelfälle, bei denen dieser Schritt tatsächlich notwendig werde. „Aber dennoch brauchen wir hier ein konsequentes Handeln – denn letztendlich geht es um das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Staat und seine Organe. Das ist auch im Interesse der ganz überwiegenden Zahl von Beamtinnen und Beamten, die tagtäglich rechtschaffen und verlässlich ihren Dienst tun“, machte der dbb Vize deutlich.

Klar zu sagen sei aber auch: Beamtinnen und Beamte dürfen nicht willkürlich oder nach freiem Ermessen politischer Gremien aus ihrem Amt entfernt werden, denn damit entfiele die Grundlage für ihre Unabhängigkeit, so Schäfer weiter. „Deshalb sind geordnete Verfahren nötig, die aus Sicht des dbb im Bundesgebiet nach einheitlichen Maßstäben ablaufen sollten. Denn es ist nicht nachvollziehbar, warum in dieser maßgeblichen Frage für Beamtinnen und Beamte in Bund und Ländern unterschiedliche Regeln gelten sollen.“

Saathoff: Nur wenige Disziplinarverfahren

Johann Saathoff, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat, unterstrich ebenfalls die geringen Fallzahlen: In der Statistik des Bundes für 2021 wurden siebzehn Disziplinarverfahren gezählt, die zu einer Entfernung aus dem Amt geführt hätten. Lediglich vier davon hätten wegen der Verletzung der freiheitlich demokratischen Grundordnung stattgefunden. Im langjährigen Mittel würden jedes Jahr etwa 15 Disziplinarverfahren mit einer Entfernung aus dem Dienst enden. Auf den Bund bezogen bedeute dies, dass lediglich 0,1 Prozent der Beamtinnen und Beamten disziplinarisch auffällig würden.

Auch hinsichtlich der Länge von Disziplinarverfahren zitiert der Staatssekretär die Disziplinarstatistik von 2021: Ein durchschnittliches Verfahren in der Verwaltung dauere 14,7 Monate. Im Falle eines gerichtlichen Verfahren kämen durchschnittlich noch einmal 29,6 Monate dazu – und das, obwohl alle Beteiligten an möglichst kurzen Verfahren interessiert seien. Das Bundesinnenministerium sehe auch sehr wohl Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung und befinde sich derzeit in Gesprächen zu einer Reform des Bundesdisziplinargesetzes, die die Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Mai im Zusammenhang mit dem Lagebericht über Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst angekündigt hatte.

Herrmann: Kompetenz für Disziplinarverfahren stärker fördern und wenn möglich bündeln

Prof. Dr. Klaus Herrmann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Honorarprofessor für Verwaltungsrecht und Wirtschaftsverwaltungsrecht, sieht bisherige Bemühung zur Vereinfachung des Disziplinarrechts kritisch. Eine Vielzahl von anderen Faktoren trage zudem dazu bei, dass Verfahren langsam voranschreiten oder von Anfang an hinausgezögert werden. Hinderlich seien etwa die nicht ausgeprägte Fehlerkultur im öffentlichen Dienst sowie der Mangel an ausgebildetem Fachpersonal. Des Weiteren nannte er die Schwierigkeit, dass die Beamtinnen und Beamten gegebenenfalls gegen ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen ermitteln müssen.

Als Konsequenz daraus sieht Herrmann die Notwendigkeit, die Kompetenz für Disziplinarverfahren stärker zu fördern und wenn möglich zu bündeln. Als positives Beispiel nannte er das Vorgehen im Freistaat Bayern, wo die Verfahren in der Regel zentral durch die Landesanwaltschaft durchgeführt werden, wo sowohl das entsprechende Know-how vorhanden als auch die notwendige Distanz zu jeweiligen Beteiligten gegeben sei.

Verwaltungsgerichte brauchen mehr Personal

Die Problematik der mangelnden Einarbeitung in disziplinarrechtliche Themen in vielen Behörden unterstrich dbb Vize Schäfer, der in seiner Karriere unter anderem zehn Jahre als örtlicher Personalrat tätig war. „In dieser Zeit waren wir mit einem einzigen Disziplinarverfahren befasst. Kommt es dann zu einem Fall, müssen sich alle Beteiligten erstmal aufwändig mit den geltenden Regelungen vertraut machen.“ Einig waren sich Herrmann und Schäfer auch in einem weiteren Punkt: Ein wichtiger Schritt zur Straffung der Verfahren sie in jedem Fall eine personelle Stärkung der Verwaltungsgerichte.

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetztes stehen müssen. So sagt zum Beispiel Saathoff: „Verfassungsfeinde haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen!“. Dafür sei ein Ausbau der Prävention sowie eine Sensibilisierung der Behördenleitungen notwendig. „Präventionsmaßnahmen sind wichtig, um Verfahren dieser Art gar nicht erst führen zu müssen“, so Herrmann.

Friedhelm Schäfer machte abschließend deutlich, dass der dbb zwar in einem gewissen Maße für eine bundesweite Vereinheitlichung werbe, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen: „Gerade bei der Entfernung aus dem Dienst sollte die letzte Entscheidung einem Gericht vorbehalten sein. Das steht einem – auch zum Schutz der betroffenen Kolleginnen und Kollegen – straff geführt und geordneten Verfahren aber nicht entgegen. Dass sowohl die verfassungsgemäße Unabhängigkeit des Beamtentums, die Rechte der Beamtinnen und Beamten sowie das elementare Interesse der Bevölkerung an einer gesetzestreuen Verwaltung unter einen Hut gebracht werden müssen und auch können, hat die heutige Diskussion mit ihren vielen interessanten Ansätzen gezeigt“, so Schäfer im Anschluss an die Fachdebatte.  

Hintergrund

Mit dem dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST bietet der dbb eine Veranstaltungsreihe und Austauschplattform von Fachleuten für Fachleute und die interessierte Öffentlichkeit zu ausgewählten aktuellen Fragestellungen des öffentlichen Dienstes und dem Beamtenbereich. Entstanden ist das dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST als Präsenzveranstaltung, die jedes Jahr rund um den Tag des öffentlichen Dienstes Mitte Juni stattfindet. Aufgrund der großen Nachfrage wurde das Konzept um ein kompaktes Digitalformat „dbb forum ÖFFENTLICHER DIENST digital“ ergänzt.

 

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