dbb magazin 4/2023

men worden. „Der dbb erwartet vom Gesetzgeber eine zeitnahe Verbesserung des BEM im Sinne der betroffenen Beschäftigten“, bekräftigte Silberbach. Aktion Mensch: inklusiver Arbeitmarkt hat Luft nach oben Nach Auffassung der Aktion Mensch scheitert gelungene Inklusion auf dem Arbeitsmarkt derzeit immer noch an der Einstellungspolitik der Unternehmen. Das „Inklusionsbarometer Arbeit“ der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes, das im November 2022 zum zehnten Mal erschienen ist, kommt zu wenig erfreulichen Ergebnissen: Die Folgen der Pandemie sind für Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt noch immer spürbar. Zwar sinken die Arbeitslosenzahlen nach Jahren der Krise wieder, gleichzeitig verschärft sich jedoch die Langzeitarbeitslosigkeit. Nahezu die Hälfte aller arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung – ein Plus von über fünf Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Erholung und Fortschritt der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt scheitern dabei insbesondere an der Beschäftigungsbereitschaft der Unternehmen, die sich nach wie vor oft lieber von ihrer Verpflichtung freikaufen. Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen von Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, sei die derzeitige Einstellungspolitik umso kritischer zu bewerten, so die Aktion Mensch. 80 Prozent geben laut einer repräsentativen Befragung im Rahmen der Studie an, keine Leistungsunterschiede zwischen Kolleginnen und Kollegen mit und ohne Behinderung wahrzunehmen. Einmal auf dem Arbeitsmarkt angekommen, bewertet das Gros der Angestellten mit Behinderung den Einsatz ihrer Fähigkeiten als adäquat: 89 Prozent bestätigen, dass sie ihren beruflichen Qualifikationen entsprechend eingesetzt werden. Gleichzeitig erweisen sich bestehende Arbeitsverhältnisse als stabil – im Jahr 2021 gab es mit 19746 so wenig Anträge auf Kündigung von Menschen mit Behinderung wie noch nie seit Erscheinen des ersten Inklusionsbarometers. „Die Entwicklung der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt hängt entscheidend von der Beschäftigungsbereitschaft der Unternehmen ab. Doch trotz zunehmender Personalengpässe ignorieren viele das Potenzial von Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber mit Behinderung“, sagt Prof. Dr. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes. Sind Menschen mit Behinderung dagegen arbeitslos, zeigt sich ein anderes Bild: Im vergangenen Jahr gelang lediglich drei Prozent die Rückkehr in den Arbeitsmarkt, während es bei Menschen ohne Behinderung sieben Prozent waren. Arbeitslose ohne Behinderung haben folglich eine mehr als doppelt so hohe Chance, eine Anstellung zu finden, als Arbeitslose mit Behinderung. Dies verstärkt weiterhin die Gefahr der Langzeitarbeitslosigkeit: Mehr als 80000 potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und damit rund 47 Prozent aller arbeitslosen Menschen mit Behinderung – sind mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung. „Der in ganz Deutschland erneut gestiegene Anteil an langzeitarbeitslosen Menschen mit Behinderung ist alarmierend – dieser Missstand verfestigt sich mehr und mehr. Ohne eine drastische Verstärkung der Inklusionsbemühungen wird die Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren kaum aufzuheben sein“, mahnt daher Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. ■ Das Inklusionsbarometer von Aktion Mensch und Handelsblatt Research kann kostenlos heruntergeladen werden: https://t1p.de/inklusionsbarometer Webtipp Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen, sollen künftig eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen. Für kleinere Arbeitgeber sollen wie bisher Sonderregelungen gelten. Die bisherige Möglichkeit, Mittel der Ausgleichsabgabe nachrangig auch für Einrichtungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben – insbesondere für Werkstätten für behinderte Menschen – zu verwenden, soll gestrichen werden. Zur Verbesserung des Bewilligungsverfahrens der Integrationsämter wird für Anspruchsleistungen (Arbeitsassistenz und Berufsbegleitung im Rahmen der unterstützten Beschäftigung) eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf von sechs Wochen eingeführt. Der vom Leistungsträger zu erstattende Lohnkostenzuschuss ist aktuell auf 40 Prozent der Bezugsgröße begrenzt. Durch die Abschaffung der Deckelung soll sichergestellt werden, dass auch mit der Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss – soweit nach den Umständen des Einzelfalls erforderlich – gewährt werden kann. Die Zusammensetzung des Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin soll zukünftig einem teilhabeorientierten und ganzheitlichen Ansatz folgen. Die Eckpunkte des Gesetzentwurfs Best-Practice-Beispiel: AfB social & green IT Berlin bietet Arbeitsplätze für Mitarbeiter mit und ohne Behinderung. Hier werden elektronische Geräte aufgearbeitet und im eigenen Shop sowie online verkauft und versendet. 16 FOKUS dbb magazin | April 2023

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