dbb magazin 9/2022

auch die Bedarfe in den Kommunen, was kontinuierlich wachsende Ressourcen erfordert, um bei der Digitalisierung voranzukommen. Eine wesentliche Erkenntnis des Radars ist zudem der Wunsch, sich stärker interkommunal auszutauschen und auch zusammenzuarbeiten. Der Know-how-Transfer sollte aus Sicht der Befragten in Zukunft eine stärkere Rolle bei der Konzeption einer beschleunigten digitalen Transformation einnehmen. „Sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht haben wir da deutlichen Nachholbedarf und brauchen Unterstützung von Bund und Ländern“, so Landsberg und Wittpahl. Beispielprojekte Wie die Digitalisierung von Kommunen und Regionen konkret funktionieren soll, kann zum Beispiel anhand der Modellprojekte „Smart Citys“ (MPSC) beobachtet werden. Hier nutzen Kommunen die Chancen von Informations- und Vernetzungstechnologien im Sinne einer nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung. Die Bundesregierung fördert derzeit 73 derartige Modellprojekte Smart Citys, die seit 2019 in drei Staffeln ausgewählt wurden, mit insgesamt 820 Millionen Euro. In Bad Belzig/Wiesenburg in Brandenburg zum Beispiel zielt der Smart-City-Ansatz darauf ab, „die Lebensqualität der Menschen zu erhalten und die Zukunftsfähigkeit der Region zu sichern“, wie es in der Projektbeschreibung heißt. Schlüsselrollen sollen dabei die sechs Themenbereiche: „Bildung“, „Gesundheit und Tourismus“, „Nahversorgung und regionales Wirtschaften“, „Mobilität“, „Verwaltung“ und „Wohnen und kommunale Betriebe“ spielen. Erster sichtbarer Erfolg der vielfältigen Bemühungen ist die „Bad Belzig App“. Sie bündelt einen Umfragenbereich zumMitmachen und Abstimmen, die neuesten Nachrichten aus dem Rathaus, der Märkischen Allgemeinen Zeitung und der Bürgerzeitung Fläming 365 sowie das regionale Web-TV Fläming. Darüber hinaus enthält sie den aktuellen Veranstaltungskalender der Region, die schönsten touristischen Touren, Orte, Gastronomie und Hotels sowie einen Bürgerservice mit umfassenden Informationen aus der Verwaltung sowie den Bürgermeldedienst Maerker Bad Belzig. Ein weiteres Modellprojekt ist Kempten im Allgäu. Dem Oberzentrum kommt eine zentrale Versorgerrolle zu. Es ist Zentrum für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung. Die Herausforderungen des innerstädtischen Strukturwandels, wie die hohe Belastung durch motorisierten Individualverkehr sowie Klimaschutz und Klimaanpassung, schränken die Handlungsfähigkeit im Sinne der Daseinsvorsorge allerdings ein. Um gegenzusteuern hat sich Kempten zu vier Zukunftsaufgaben verpflichtet. Im Zuge der überregionalen Vernetzung und des Aufbaus von IT-Strukturen und -Prozessen sollen in einem Digital Cooperation Lab (DCL) Stadtkonzern, Bürgerinnen und Bürger sowie Partnerinnen und Partner vernetzt werden, um die Entwicklung von Strategien zu Datensouveränität und Datenethik voranzutreiben. Das Digital-Makerspace.Mobil (DMM) soll jungen Menschen den Einstieg in innovative Technologien und Medienbildung bieten und als lokale Begegnungsstätte fungieren. Durch Urban Farming sollen Freiflächen für die gemeinschaftliche Nutzung und smarte Lösungen wiederbelebt werden. In diesem Zusammenhang soll das Klimaschulkonzept in der Region als Blaupause ausgeweitet und eine digitale Warnung bei Starkregen eingeführt werden. Letztlich soll die digitale und resiliente Innenstadt dem Strukturwandel entgegentreten. br Broschüre Zukunftsradar Digitale Kommune 2022: https://t1p.de/Zukunftsradar Übersicht über die Modellprojekte: https://t1p.de/ Modellprojekte Webtipp Datenwüste Deutschland Smart-City-Konzepte basieren auf weit mehr als bloßer IT-Infrastruktur. Dennoch bilden IT-Strukturen und -Prozesse die Basis für moderne Bürger- und Wirtschaftsdienstleistungen. Solange die großen Digitalisierungsprojekte des Bundes nicht funktionieren, wird es daher auch keine echten digitalen Verwaltungsservices auf kommunaler Ebene geben. Wozu brauchen Bürgerinnen und Bürger eine App, die „Informationen aus der Verwaltung“ zur Verfügung stellt, wo sie doch ihr Auto anmelden oder einen Bauantrag stellen wollen, ohne persönlich im Amt vorstellig werden zu müssen? Das Traurige daran ist, dass alle notwendigen Technologien von der digitalen ID im Personalausweis bis hin zu Gigabit-Vernetzung und 5G-Mobilfunk längst zur Verfügung stehen. Nur ist allen politischen Bemühungen zum Trotz scheinbar niemand in der Lage, Zuständigkeitswirrwarr und Ausrüstungsstau zu überwinden, geschweige denn, Verwaltungsprozesse bundesweit zu standardisieren und zusätzliches IT-Fachpersonal zu rekrutieren. Statt dessen ist mittlerweile so gut wie sicher, dass bis Ende 2022 kaum eine der im Onlinezugangsgesetz versprochenen 575 Verwaltungsdienstleistungen online sein wird. Der bislang viertgrößten Volkswirtschaft der Welt droht der Status einer Datenwüste, in der die Reputation als Land der Innovationen kümmerlich vertrocknet. br Kommentar INTERN 35 dbb magazin | September 2022

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