dbb magazin 5/2022

DBB AKADEMIE Personalvertretungsrecht Das Gebot der Rücksichtnahme im Personalrat PR-Mitglieder sollten von der Möglichkeit, einer Durchführung der Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz zu widersprechen, sehr zurückhaltend Gebrauch machen. Der Personalrat bildet seinen Willen durch Beschlüsse. Diese werden „nach gemeinsamer Beratung mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst“. Dabei mussten stets folgende Voraussetzungen erfüllt sein: > Ordnungsgemäße und rechtzeitige Ladung der stimmberechtigten Mitglieder, > Tagesordnung, > Sitzung mit > körperlicher Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder. Mit Ausbruch der Pandemie gingen viele Personalräte dazu über, die Sitzungen mittels einer Telefonkonferenz durchzuführen (für Videokonferenzen fehlten häufig die technischen Voraussetzungen und die IT), um die PR-Mitglieder vor einer Coronainfektion zu schützen. In zahlreichen Dienststellen praktizierten Personalräte zudem eine Beschlussfassung außerhalb einer Sitzung, beispielsweise per E-Mail oder auch im Umlaufverfahren. Dieses Vorgehen war jedoch unzulässig, da nach § 37 Abs. 1 BPersVG a. F. „die Beschlüsse des Personalrates mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst werden“ und eine Ausnahmeregelung im BPersVG fehlte. Selbst wenn sämtliche zur Beschlussfassung berufenen Personalratsmitglieder sich mit der Beschlussfassung außerhalb einer Sitzung einverstanden erklärt haben, änderte das nichts daran, dass das Vorgehen nicht mit den Vorgaben des Gesetzgebers übereinstimmte und damit unzulässig blieb. Der Gesetzgeber schuf daher mit Erlass des Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundespersonalvertretungsgesetzes aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 25. Mai 2020 die zunächst befristete Möglichkeit, dass Personalratsmitglieder mittels Video- oder Telefonkonferenz an Sitzungen teilnehmen können, und stellte klar: „Personalratsmitglieder, die mittels Video- oder Telefonkonferenz an Sitzungen teilnehmen, gelten als anwesend“ (§ 37 Abs. 3 BPersVG a. F.) Diese Regelung galt rückwirkend zum 1. März 2020. Die PR-Mitglieder konnten damit wirksame Beschlüsse fassen, ohne sich dem Risiko einer Infektion auszusetzen. Der Gesetzgeber räumte der Personalvertretung die Möglichkeit zur Beschlussfassung ohne physische Anwesenheit allerdings nach § 37 Abs. 3 Nr. 2 BPersVG a. F. nur unter der Prämisse ein, dass „vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Geschäftsordnung kein Mitglied des Personalrates unverzüglich nach Bekanntgabe der Absicht zur Durchführung der Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz diesen Verfahren gegenüber dem Vorsitzenden widerspricht“. Damit hatte es jedes zur Teilnahme berechtigte Mitglied in der Hand, durch einen Widerspruch gegenüber dem Vorsitz die anderen Personalratsmitglieder in eine Präsenzsitzung zu „zwingen“. Mit der Novellierung des BPersVG vom 9. Juni 2021 stellte der Gesetzgeber in § 38 Abs. 3 klar, dass die Sitzungen des PR in der Regel als Präsenzsitzung in Anwesenheit seiner Mitglieder vor Ort (in der Dienststelle) stattfinden. Nunmehr „kann die Sitzung vollständig oder unter Zuschaltung einzelner Personalratsmitglieder (also hybrid) mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, wenn nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder oder die Mehrheit der Vertreterinnen und Vertreter einer Gruppe binnen einer vom Vorsitz zu bestimmenden Frist widerspricht“. Die Möglichkeit einer hiervon abweichenden Regelung in der Geschäftsordnung wurde gestrichen. Der Gesetzgeber räumt also nun nicht mehr jedem einzelnen Mitglied die Möglichkeit eines Widerspruches ein, sondern orientiert sich an dem im BPersVG weitgehend geltenden Widerspruchsquorum von mindestens 25 Prozent. Nach der Gesetzesbegründung gewährleiste dies einen angemessenen Minderheitenschutz, stelle aber gleichzeitig die Wirksamkeit der Regelung in großen Personalvertretungen sicher. Widerspruchsberechtigt ist allerdings auch die Mehrheit einer Gruppe im Personalrat. Das führt in der Praxis letztlich dazu, dass © ~ Bitter ~/stock.adobe.com 38 SERVICE dbb magazin | Mai 2022

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