dbb magazin 3/2022

Im Dezember 2020 haben die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ihre erste repräsentative Beschäftigtenbefragung vorgelegt, den Diversität und Chancengleichheit Survey. Angesichts der geringen Repräsentanz von Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung hatte die damalige Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung fur Migration, Fluchtlinge und Integration, Annette Widmann-Mauz, dazu aufgerufen, interkulturelle Perspektiven stärker in das gesamte Verwaltungshandeln einzubinden. „Zwar wird das Diversitätsklima von den rund 230 000 Beschäftigten des Bundes als gut eingeschätzt, aber nur jede und jeder achte Beschäftigte in den Bundesministerien und Bundesbehörden hat eine Einwanderungsgeschichte“, fasste Widmann-Mauz die Ergebnisse zusammen und leitete daraus die Forderung nach einem strategischen Ansatz zur Diversitätsförderung ab, der sich im Nationalen Aktionsplan Integration der Bundesregierung wiederfinden soll. Letztlich arbeiteten gemischte Teams mit interkulturellen Perspektiven innovativer, erzielten bessere Ergebnisse und leisteten einen Beitrag für ein gutes Miteinander und Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft. „Gelebte Vielfalt ist ein Erfolgsfaktor, auch für den öffentlichen Dienst“, so Widmann-Mauz. Das sieht auch Prof. Dr. Norbert F. Schneider, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), so: „In der Bevölkerung in Deutschland haben rund 26 Prozent einen Migrationshintergrund. Das heißt, sie selbst oder mindestens einer ihrer beiden Elternteile sind zugewandert. Kulturelle Vielfalt prägt damit mehr denn je die deutsche Gesellschaft“, erläuterte er die Ergebnisse des Surveys. Der öffentliche Dienst spiegele diese gestiegene kulturelle Vielfalt in seinen Beschäftigtenstrukturen bisher jedoch nur bedingt wider. „Zwölf Prozent der Beschäftigten in der Bundesverwaltung haben einen Migrationshintergrund. Insbesondere die Zugewanderten in der ersten Generation sind selten in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt. Mit dem ‚Diversität und Chancengleichheit Survey‘ liegen jetzt erstmals umfassende Daten zur kulturellen Vielfalt, zu Karrierechancen und zu den Auswirkungen von Diversität in der Bundesverwaltung vor.“ Ein zentrales Ergebnis: Beschäftigte mit Migrationshintergrund zeichnen sich im Vergleich zu den Beschäftigten ohne Migrationshintergrund durch eine höhere Arbeitszufriedenheit, ein höheres Engagement und eine höhere Verbundenheit mit dem Arbeitgeber Bund aus. Ein Anteil von zwölf Prozent in der Bundesverwaltung ist aber zu gering. Daher enthält die Studie konkrete Empfehlungen in sechs Handlungsfeldern, um Chancengleichheit und Repräsentanz zu stärken. Dazu gehören Maßnahmen zur Personalgewinnung wie die gezielte Ansprache von jungen Menschen, auch mit Migrationshintergrund, in Schule, Ausbildung oder Studium oder die Sensibilisierung für Barrieren im Auswahlprozess von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Weitere Empfehlungen sind eine gezielte Personalentwicklung, -förderung und -weiterbildung sowie ein maßgeschneidertes Diversitätsmanagement für jede Behörde. Gleichzeitig muss die interkulturelle Kompetenz stärker gefördert werden, um Konflikten, aber auch Diskriminierung vorzubauen. Die Wirkungen und Erfolge des Diversitätsmanagements sollten durch ein Berichtswesen und Monitoring zur kulturellen Vielfalt in der Bundesverwaltung auch zukünftig regelmäßig überprüft werden. Gestartet war die Befragung imMai 2019 als Teil des übergreifenden Forschungsprojekts „Kulturelle Diversität und Chancengleichheit in der Bundesverwaltung“ in 60 Bundesbehörden. Sie sollte unter anderem Erkenntnisse darüber liefern, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die interkulturelle Öffnung wahrnehmen, welche Erfahrungen sie selbst gemacht haben und wie sie die Organisationskultur erleben. Das Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse mittlerweile in einer Broschüre veröffentlicht worden sind, trägt den ständigen Veränderungsprozessen Rechnung, denen die Verwaltung unterliegt. Neben der Einführung neuer Steuerungsmodelle, der Privatisierung öffentlicher Aufgaben sowie der zunehmenden Europäisierung des Verwaltungshandelns verlangen demnach auch der demografische und soziale Wandel mittlerweile weitreichende Anpassungsprozesse der öffentlichen Arbeitgeber. Neben solch funktionalen Begründungen für eine veränderte öffentliche Personalpolitik mit dem Ziel, neue Potenziale zur Fachkräftegewinnung zu erschließen, hat die interkulturelle Öffnung der Verwaltung auch das Potenzial, die Legitimation des Handelns öffentlicher Verwaltungen durch die Repräsentation aller Bevölkerungsgruppen zu erhöhen. Im Vergleich zu einer ähnlichen, ersten Erhebung im Jahr 2016 ist der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung bis heute sogar gesunken: ImMai 2016 hatten die damalige Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz, und der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Hans-Georg Engelke, ihre Studie zum Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung vorgestellt, an der 14 Bundesministerien, die Bundeswehr und acht Bundesoberbehörden teilgenommen hatten. Der damals ermittelte Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung lag auf Grundlage einer freiwilligen Teilnahme bei durchschnittlich 14,8 Prozent und damit deutlich über den Werten des Mikrozensus des Jahres 2013 für die allgemeine öffentliche Verwaltung von 6,7 Prozent. Im Vergleich zum Anteil der abhängig Beschäftigten in der Privatwirtschaft von 20,1 Prozent waren Personen mit Migrationshintergrund in der Bundesverwaltung jedoch ebenfalls unterrepräsentiert. Darüber hinaus handelte es sich bei den Beschäftigten mit Migrationshintergrund überwiegend „Nur jede und jeder achte Beschäftigte in den Bundesministerien und Bundesbehörden hat eine Einwanderungsgeschichte.“ Annette Widmann-Mauz Interkulturelle Kompetenz muss stärker gefördert werden, um Konflikten und Diskriminierung vorzubeugen. FOKUS 17 dbb magazin | März 2022

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