dbb magazin 3/2022

Die Chancen digitaler Zukunftstechnologien werden von der Bevölkerung sehr deutlich wahrgenommen. Aus Sicht der großen Mehrheit werden vor allem Drohnen (59 Prozent), 3D-Drucker (58 Prozent) und KI (56 Prozent) in Zukunft eine große Bedeutung haben, gefolgt von Technologien, die autonomes Fahren (47 Prozent), besseren Umweltschutz (44 Prozent) und eine bessere Unterstützung bei der Pflege (37 Prozent) ermöglichen. Die junge Generation ist generell bei allen Technologien überdurchschnittlich überzeugt, dass sie in Zukunft große Bedeutung haben werden. Das gilt insbesondere für KI und 3D-Drucker, aber auch für Drohnen, Greentech und Virtual-Reality-Brillen. Allerdings schätzt die Bevölkerung ihr Wissen über neue Technologien selbstkritisch als gering ein. 80 Prozent bewerten ihr Wis- sen als (sehr) gering. Koalition unter Zugzwang „Die Ampel muss jetzt den versprochenen Fortschritt auch liefern“, fordert Professor Dr. Philip Meissner vom European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School Berlin. Hierfür müsse die Regierung Zukunftstechnologien stärker in den Fokus der Digitalpolitik stellen, so Meissner: „Die großen Chancen neuer Technologien wie 3D-Druck für das alltägliche Leben jedes Einzelnen, aber auch für den Wohlstand des Landes als Ganzes müssten in Zukunft stärker kommuniziert werden.“ Außerdemmüsse die Förderung von Start-ups und Zukunftstechnologien zur Chefsache werden und direkt von den Spitzen der Regierungsparteien verantwortet werden. Vor allem brauche es deutlich mehr Wachstumskapital und den Abbau von Regulierung. „Wenn Deutschland seinen Wohlstand in den nächsten Jahren erhalten und ausbauen möchte, müssen wir jetzt entschieden handeln und das Land zu einem Standort für digitale Zukunftstechnologien machen“, fasst Meissner zusammen. Trotz der Hoffnung in die neue Bundesregierung hat sich an den grundsätzlichen Zweifeln der großen Mehrheit der Bevölkerung, ob die Politik über ausreichend Kompetenz im Bereich Digitalisierung verfügt, nur wenig geändert. Der Anteil der Bevölkerung, der der Politik große Kompetenz beim Thema Digitalisierung zuschreibt, hat sich sogar weiter vermindert. Vor einem Jahr bewerteten noch 24 Prozent die Kompetenz der Politik auf diesem Gebiet positiv, aktuell nur noch 17 Prozent. Die Hälfte der Bevölkerung hält die Politik für eingeschränkt kompetent, 14 Prozent für überhaupt nicht kompetent. „Die Politik wird hier nur an Vertrauen gewinnen, wenn die Bürgerinnen und Bürger zunehmend die Erfahrung machen, dass sich der staatlich verantwortete Bereich merklich bewegt“, sagt Professor Dr. Renate Köcher. Dies umfasse die Digitalisierung an Schulen, der Ämter und Behörden sowie des gesamten öffentlichen Dienstes. Der FDP wird nicht nur das größte Engagement auf dem Feld zugeschrieben, sondern auch am ehesten ein überzeugendes Konzept. Größter Verlierer bei der Digitalkompetenz ist die CDU/CSU. Im vergangenen Jahr noch die Partei mit der größten Digitalkompetenz, fällt die Union aus Sicht der Deutschen 2021 deutlich zurück und kommt nur noch auf sieben Prozent. Allerdings trauen 25 Prozent der Bevölkerung weiterhin keiner Partei ein überzeugendes Konzept im Bereich Digitalisierung zu, 33 Prozent sind unentschieden. Was die Rolle von Verwaltung und öffentlichem Dienst bei der Digitalisierung betrifft, kommt auch eine aktuelle Erhebung des Digitalverbandes Bitkom vom Januar 2022 zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Menschen in Deutschland sehen in der Digitalisierung insgesamt großes Potenzial, um die Coronapandemie gesamtgesellschaftlich zu bewältigen: So stimmen zwei Drittel (65 Prozent) der Aussage zu, dass digitale Technologien grundsätzlich dabei helfen können, die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen zu meistern. Allerdings stellen sie vielen Bereichen ein eher schlechtes Zeugnis für die digitale Pandemiebewältigung aus. Noch am besten kommt die Wirtschaft weg, mit einer durchschnittlichen Schulnote von 3,1 für ihr digitales Pandemiemanagement. Das Gesundheitswesen erhält eine 3,3. Die Schulen sowie Verwaltung und Behörden bekommen mit einer 4,0 jeweils die schlechteste Bewertung für ihr digitales Pandemiemanagement. Auch Bitkom sieht Verwaltung imHintertreffen Bitkom-Präsident Achim Berg konstatiert: „Auch wenn sich die Schulnote 4 mit ‚ausreichend‘ übersetzt: Ausreichend war das nicht, was viele der Behörden und Bildungseinrichtungen geboten haben. Zwei Jahre nach Beginn der Pandemie darf man erwarten, dass wirklich jede Verwaltung auf Homeoffice umschalten kann und in der Lage ist, ihre Dienstleistungen digital anzubieten.“ Immerhin jede und jeder Vierte (26 Prozent) ist der Meinung, dass Deutschland gestärkt aus der Pandemie hervorgehen wird. 22 Prozent gehen davon aus, dass sich nichts verändern wird, aber rund die Hälfte (49 Prozent) meint, dass Deutschland durch Corona geschwächt wird. „Deutschland ist dem Ruf einer Hightech-Nation bei der Bewältigung der Pandemie nicht gerecht geworden“, kommentiert Berg. „Ob Gesundheitswesen, Bildung oder Verwaltung: Die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden müssen das Tempo bei der Digitalisierung im dritten Jahr der Pandemie massiv erhöhen. Niemand weiß, was nach Omikron kommt. Aber alle wissen, dass etwas kommt. Wir müssen einen digitalen Damm bauen gegen eine sechste Welle und Deutschland krisenresilient machen.“ ■ Der Digitalreport erscheint jährlich und wird 2022 zum dritten Mal veröffentlicht. Er wurde vom European Center for Digital Competitiveness an der ESCP Business School Berlin entwickelt. In dessen Auftrag führt das Institut für Demoskopie (IfD) Allensbach eine repräsentative Befragung der Bevölkerung zu dem Stand der Digitalisierung in Deutschland und dem digitalen Kompetenzprofil der Politik durch. Darüber hinaus stützt sich der Report auf Ergebnisse einer Umfrage von rund 500 Spitzen aus Politik und Wirtschaft, darunter Geschäftsführer und Vorstände aus der Wirtschaft sowie führende Politiker wie Minister, Staatssekretäre und Fraktionsspitzen. Die Bevölkerungsumfrage basiert auf insgesamt 1 069 mündlichen persönlichen Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahre. Die Interviews wurden zwischen dem 1. Dezember 2021 und dem 4. Januar 2022 durchgeführt. Die Leitung der Studie liegt bei Professor Dr. Renate Köcher vom IfD Allensbach sowie Professor Dr. Philip Meissner, Professor Dr. Klaus Schweinsberg und Klára Moozová vom European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School Berlin. Weitere Ergebnisse unter: www.digital-competitiveness.eu/digitalreport. Über den Digitalreport AKTUELL 13 dbb magazin | März 2022

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