dbb magazin 1-2/2022

Aktuelle Entwicklungen und Stimmen aus der Politik Was wird aus der Konferenz zur Zukunft Europas? Vier deutsche Mitglieder der Konferenz zur Zukunft Europas, drei EU-Abgeordnete und ein Mitglied des Deutschen Bundestags, geben ihre Einschätzungen zur aktuellen Lage der Konferenz und der Debatte um Europas Zukunft. Die EU-Abgeordnete Gabriele Bischoff (SPD) zeigt sich erfreut, dass die Plenarversammlung der Konferenz sich endlich mit den Empfehlungen der Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen kann. „Nach einem sehr langen Vorspann kommen wir jetzt mit den Empfehlungen der Bürger*innen endlich zum Kern der Konferenz zur Zukunft Europas. Im Plenum werden wir jetzt darüber debattieren, wie wir die Ideen der Bürger*innen in konkrete Taten übersetzen können und welche Schritte hierfür notwendig sind.“ Das Parlament, so Bischoff, werde sich als treibende Kraft der Konferenz an den Empfehlungen orientieren, ihre Ideen aufgreifen und an ihrer konkreten Umsetzung arbeiten. „Es ist entscheidend, dass sich jetzt eine starke Dynamik entwickelt, damit die Konferenz endlich das Interesse der Menschen in den Mitgliedstaaten weckt und sie zur aktiven Teilnahme bewegt.“ Der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Gunter Krichbaum, räumt ein, die Mitgliedstaaten begegneten der Konferenz nicht alle mit dem gleichen „Ambitionsniveau“. Dennoch könne die Konferenz in ihrer Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden. „Das wird schon daran deutlich, welche Akteure sie einbezieht: Die Bürgerinnen und Bürger diskutieren ihre Ideen mit Vertretern der EU-Institutionen – einschließlich der Regierungen der Mitgliedstaaten – sowie der nationalen Parlamente.“ Zwar könne die Konferenz selbst keine Vertragsänderungen beschließen, wohl aber Debatten dazu anstoßen, beispielsweise zu verstärkten Mehrheitsbeschlüssen. „Auch wenn dieser Fall nicht zu 100 Prozent übertragbar ist, zeigt die aktuelle Debatte um die Einstufung von Kernkraft als nachhaltige Energiequelle, inwiefern jede und jeder Einzelne von Mehrheitsbeschlüssen betroffen sein kann.“ Niklas Nienaß, für Bündnis 90/ Die Grünen im Europäischen Parlament, bewertet die Vorschläge der Bürgerforen positiv. Die Menschen seien an europäischem Zusammenhalt interessiert und wollten Europa progressiv gestalten. Nienaß beklagt aber: „Leider wird in den Arbeitsgruppen von vielen Politiker*innen nicht auf die Vorschläge der Bürger*innen Bezug genommen, sondern stattdessen die eigene politische Agenda vorangetrieben.“ Zudem sei die Organisation der Arbeitsgruppen uneinheitlich und unklar. Es sei ungewiss, was mit den Arbeitsergebnissen geschehen soll. „Dieses Chaos ist vomRat beabsichtigt, umdie Arbeit der engagiertenMenschen in den Arbeitsgruppen zu erschweren und die Resultate von Beginn an zu unterminieren“, so sein Vorwurf. Außerdem sei die Konferenz unnötig zeitlich begrenzt. Aus allen Reihen komme der Wunsch, die Konferenz über den 9. Mai 2022 hinaus fortzusetzen. Nicola Beer (FDP), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, wagt einen positiven Ausblick. Nicht wenige Hauptstädte, auch die ehemalige Bundesregierung, hätten der Konferenz nur ein Dasein als „politisches Mauerblümchen“ gegönnt. Das sei vorbei, denn die neue Bundesregierung begleite das Projekt Zukunft der EU mit viel politischer Energie. Zudem werde Frankreich das Thema vorantreiben. Beer ist sich sicher, die Konferenz werde unterschätzt: „Die Zukunftskonferenz als Reformwerkstatt ist in ihrer Art bis dato in der Geschichte der Europäischen Union einzigartig, sie umfasst verschiedene Parteifamilien quer durch Europa, die EU-Institutionen und – am wichtigsten – unsere Bürgerinnen und Bürger!“ Das mache sie zu einem „Gamechanger“. „Wenn es uns gelingt, an einem Strang zu ziehen, avanciert die Konferenz zur Matrix einer erneuerten, schlagkräftigeren und bürgernahen Europäischen Union.“ ■ ... soll bis Mai 2022 einen Bericht ausarbeiten, in den Empfehlungen aus vier Bürgerforen einfließen, in denen geloste Bürgerinnen und Bürger sich Gedanken zu Europas Zukunft gemacht haben. Die Viruswellen erzwangen Verschiebungen und Online-Sitzungen. Auch die Bürgerforen konnten nicht wie geplant tagen. Immerhin zwei Bürgerforen haben bereits Empfehlungen für den Abschlussbericht der Konferenz vorgelegt. Das Plenum wird sich mit diesen Vorschlägen beschäftigen. Die Konferenz zur Zukunft Europas ... Gabriele Bischoff Niklas Nienaß Gunter Krichbaum Nicola Beer © Waldemar Salesski © Europäisches Parlament © KrichbaumMdEP © Laurence Chaperon 32 INTERN dbb magazin | Januar/Februar 2022 EUROPA

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