dbb magazin 7-8/2021

Grundschulkindes, deutlich: „Tatsache ist doch, dass viele Dienstherren es bis heute nicht geschafft haben, allen Lehr­ kräften wenigstens eine dienst­ liche Mailadresse zur Verfü­ gung zu stellen. Von fehlenden Fortbildungen oder auch nur der entsprechenden Infrastruk­ tur ganz zu schweigen.“ Solche Vorwürfe, wie auch jüngst vor­ getragene pauschale Angriffe auf das Berufsbeamtentum, würden gerade das für die an­ gestrebten Reformen notwen­ dige Vertrauen der Beschäftig­ ten untergraben. Grundsätzlich unterstütze der dbb aber Teile des „NEU­ STAAT“-Projekts, mindestens in der Zielsetzung gebe es gro­ ße Schnittmengen mit der Unionsfraktion. So betonten etwa sowohl Brinkhaus als auch Silberbach, dass bereits im Gesetzgebungsprozess die spätere Umsetzung durch die Verwaltungen und die erfor­ derlichen Personalressourcen stärker in den Blick genom­ men werden müssten. Landsberg: Bund, Länder und Gemeinden katastrophal verschränkt Gerade in diesem Punkt hatten die beiden auch Gerd Lands­ berg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund auf ihrer Seite. „Wir brauchen mehr Pau­ schalierung und weniger Rege­ lungswut. Nehmen Sie nur die Sozialgesetzgebung. Das ist al­ les viel zu komplex. Trauen wir den Betroffenen und den Be­ schäftigten einfach mehr zu: Mehr Verantwortung, mehr Ei­ geninitiative“, so der Appell des Kommunalexperten. Dabei plä­ dierte auch er dafür, die zentra­ le Rolle der Praktikerinnen und Praktiker in den Verwaltungen anzuerkennen: „Wir müssen die Beschäftigten mitnehmen. Dieses Bashing gegen Beamte und den öffentlichen Dienst muss endlich aufhören. Gerade die Digitalisierung muss den Leuten vor Ort als Chance ver­ mittelt werden, dafür sind Fort- und Weiterbildung elementar.“ Gleichzeitig betonte Landsberg aber ausdrücklich, dass auch er die Notwendigkeit von grund­ legenden Änderungen in der Staatsorganisation sehe. „Wir brauchen tatsächlich eine Re­ volution. Wir haben zwar in der Pandemie gesehen, wie gut die Verwaltung funktioniert hat. Gleichzeitig haben wir aber auch dringenden Handlungsbe­ darf: Die Verschränkungen von Finanzströmen und Verant­ wortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sind katastrophal und fördern nur die Überbürokratisierung“, schloss sich Landsberg der Ana­ lyse von Brinkhaus an. Die von ihm vertretenen Städte und Gemeinden sieht er für einen solchen Reformprozess gut auf­ gestellt, denn „in der Pandemie hat die Politik gelernt, dass sie die Kommunen braucht. Ohne die Städte und Gemeinden wird es keine erfolgreiche Staatsreform geben.“ Gleich­ zeitig könnten und müssten bestimmte Kompetenzen sehr wohl beim Bund gebündelt werden, etwa der Katastro­ phenschutz. „Die nächste län­ derübergreifende Pandemie, der nächste Blackout kommt bestimmt. Das Bundesamt für Katastrophenschutz muss also ganz anders aufgestellt wer­ den: strukturell, personell und finanziell.“ Hinsichtlich der Finanzierung der diskutierten Reformen mahnte allerdings dbb Chef Silberbach die Diskutanten eindringlich: „Wir haben riesi­ ge Pandemiekosten und wir haben einen dramatischen In­ vestitionsstau bei der Infra­ struktur, nicht nur der digita­ len. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie wollen wir das be­ zahlen? Welche Prioritäten sollen gesetzt werden? Aus leidvoller Erfahrung fürchten die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst, dass es am Ende einmal mehr sie sein sollen, die für die Kosten aufkommen. Aber sparen – am Personal, an der Ausstat­ tung, an der Fortbildung – wäre jetzt genau der falsche Weg, das muss endlich allen klar sein.“ br/ef/zit Umfrage zur Aufgabenteilung Bund/Länder Mehr Kompetenzen für den Bund erwünscht Mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bür­ ger möchte die föderale Kompetenzverteilung zugunsten des Bundes ändern. Auch dbb Chef Silberbach plädiert für zentralere Regelungen. In einer aktuellen repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag des dbb hat sich eine Mehrheit der Befragten (51 Prozent) dafür ausgesprochen, die beste­ hende Gewaltenteilung zugunsten des Bundes zu ändern. Nur noch eine Min­ derheit (41 Prozent) meint, die bestehende Gewaltentei­ lung hätte sich bewährt. Ein großer Teil der Bürgerinnen und Bürger würde es bevorzugen, wenn der Bund für die Erledigung einer ganzen Reihe von Aufgaben zuständig wäre. Dies gilt vor al­ lem für die äußere Sicherheit (89 Prozent), den Luftverkehr (86 Prozent), das Pass- und Melde­ wesen, den Strafvollzug (jeweils 81 Prozent) und die Steuer- und Finanzpolitik (80 Prozent). Rund zwei Drittel bis drei Viertel der Befragten sehen auch den Schienenverkehr (76 Prozent), die Beamtenbesoldung (69 Prozent), Polizei und innere Sicherheit, digitale Infrastruktur (66 Prozent) sowie Schulen und Hochschulen (65 Prozent) als Aufgaben des Bundes an. Nur in einem politischen Gestaltungsfeld – Kultur – möchte die Mehrheit die Zuständigkeiten alleine bei den Ländern sehen (54 Prozent). „Die Daten zeigen, dass es höchste Zeit ist, grundsätzlich über die politischen Entschei­ dungsprozesse und die Kompetenzverteilung in Deutschland zu diskutieren“, sagte dbb Chef Ulrich Silberbach am 17. Juni 2021 in Berlin. „Natürlich hat sich unser föderales System bewährt, und nicht alles ge­ hört abgeschafft oder in Bundeshand. Aber insbe­ sondere die Corona-Pan­ demie hat uns allen vor Augen geführt, dass sich die Organisation der politi­ schen Kompetenzen in der Welt von heute nicht mehr als so effektiv erweist, wie es in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung erforderlich wäre. Des­ wegen braucht es eine aufgabengerechte und zukunftsfeste Neujustierung. Insbesondere mit Blick auf den Katastrophen- und Gesundheits­ schutz, Digitalisierung, Bildungsstandards und innere Sicherheit wären zentralere Regelungen wünschenswert“, so Silberbach. F o t o : C o l o u r b o x . d e dbb dialog < forsa-Umfrage „Meinungen zur Kompetenzverteilung und zur Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern“ Auftraggeber: dbb beamtenbund und tarifuni­ on, Datenbasis: 1009 Befragte, Erhebungszeit­ raum: 25. bis 28. Mai 2021 7 dbb > dbb magazin | Juli/August 2021

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