dbb magazin 7-8/2021

dbb dialog dbb dialog – „Spitzengespräch öffentlicher Dienst“ mit dem Bundesinnenminister Wenn es hakt, ist meist die Politik schuld Zum Internationalen Tag des öffentlichen Diens­ tes am 23. Juni 2021 nahmen dbb Chef Ulrich Silberbach und Bundesinnenminister Horst Seehofer die aktuellen und künftigen Heraus­ forderungen für einen modernen, digitalen und bürgernahen öffentlichen Dienst in den Blick. Horst Seehofer, Bundesminis­ ter des Innern für Bau und Heimat, nutzte die Gelegen­ heit, um die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Deutschland ausdrücklich zu loben. „Wir werden weltweit um unseren öffentlichen Dienst in Deutschland benei­ det.“ Die Corona-Pandemie sei nur die jüngste epochale Auf­ gabe in einer langen Reihe von Herausforderungen gewesen, die der öffentliche Dienst ge­ schultert habe, erläuterte See­ hofer und nannte Flüchtlings-, Finanzkrise und den Prozess der deutschen Einheit als Bei­ spiele. Kritik an bürokratischer Schwerfälligkeit des Staats­ dienstes wies der Bundesin­ nenminister leidenschaftlich zurück. „Wir müssen endlich mit der Selbstbetrachtung, dass der öffentliche Dienst ein Handicap sei, aufhören und die Ursachen für Defizite beim Namen nennen“, so Seehofer. „Da, wo es hakt, ist meistens die Politik selbst schuld.“ Wenn man beispiels­ weise den öffentlichen Ge­ sundheitsdienst über Jahre krank schrumpfe, dürfe man sich dann, wenn der Mangel wie während der Pandemie offensichtlich werde, nicht beschweren, sondern müsse Lösungen finden, führte der Bundesinnenminister durch­ aus selbstkritisch aus. „Der Bund hat in diesem Fall schnell reagiert und Finanzmittel für 5000 neue Stellen in den Ge­ sundheitsämtern bereitge­ stellt.“ Grundsätzlich gelte, dass die Bürokratie, die allent­ halben beklagt werde, in ers­ ter Linie auf die Politik selbst zurückzuführen sei. „Bürokra­ tie entsteht durch Gesetze, und die werden immer kom­ plizierter. Deshalb sollten wir Politiker zusehen, dass wir Bü­ rokratie durch weniger Regle­ mentierung abbauen. Wenn die Schuldigen immer nur die Unschuldigen beschimpfen, ist das unredlich.“ Bürgerinnen und Bürger müssen verstehen, was wir tun Besonders beeindruckt hat den Bundesinnenminister das Enga­ gement der Beschäftigten, die während der Pandemie „an vorderster Front“ standen und stehen. Umso inakzeptabler seien die wiederkehrenden At­ tacken auf Beschäftigte. Die unbelehrbaren Täter müssten mit aller Härte bestraft wer­ den, forderte Seehofer und wies darauf hin, dass der Staat selbst auch in der Pflicht sei, Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen. Im Bereich der Polizei habe man das durch die Einstel­ lung zusätzlicher 32000 Kräfte getan, weil man zu der Über­ zeugung gelangt sei, dass Prä­ senz auch eine präventive Wir­ kung habe. Konfliktpotenzial sieht Seehofer ebenso wie dbb Chef Silberbach in sozialen und regionalen Ungleichgewichten, die den gesellschaftlichen Zu­ sammenhalt gefährden. Neben greifbaren strukturellen Ver­ besserungen müsse die Politik ihr Handeln auch besser kom­ munizieren. „Die Bürgerinnen und Bürger müssen verstehen, was wir tun“, so der Bundesin­ nenminister. Dies sei wichtiger als theoretische Reformdebat­ ten etwa mit Blick auf die föde­ rale Ordnung. Ohnehin sollte Seehofer zufol­ ge stets der Ansatz der Fort­ entwicklung und Optimierung des Bewährten gewählt wer­ den, anstatt immer „alles auf den Kopf stellen“ zu wollen. Auch der öffentliche Dienst müsse immer wieder bereit sein, sich zu optimieren und fortzuentwickeln. Mit Blick auf die Zukunft gelte es hier insbe­ sondere, als Arbeitgeber noch attraktiver für den Berufs­ nachwuchs und spezialisierte Fachkräfte wie etwa solche aus dem IT-Bereich zu werden. „Wir haben in Deutschland seit Jahrzehnten die stabilste Demokratie und den stabils­ ten Rechtsstaat in unserer Geschichte. Daran hat der öffentliche Dienst einen we­ sentlichen Anteil. Um das zu schützen, brauchen wir einen starken Staat“, betonte der Bundesinnenminister. Bei der Digitalisierung, die Teil des modernen bürgernahen Staats sei, sieht Seehofer Deutsch­ land auf einem guten Weg, im kommenden Jahr würden alle im Onlinezugangsgesetz vor­ gesehenen knapp 600 Dienst­ leistungen der öffentlichen Hand planmäßig digital an­ geboten, die Versorgung mit schnellem Internet komme voran. Bürgerversicherungs­ fantasien teilt Horst Seehofer auch weiterhin nicht – „wenn wir Sozialversicherungsbeiträ­ ge für alle Beamtinnen und Beamten zahlen müssten, wäre der Staat am Ende“, rechnete er vor. 8 dbb > dbb magazin | Juli/August 2021

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