dbb magazin 7-8/2021

europa Frauenerwerbstätigkeit in der Europäischen Union Gleichstellung noch in weiter Ferne Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor unterrepräsentiert. In der EU sind derzeit 67 Pro­ zent der Frauen erwerbstätig, die Erwerbstätigkeit der Männer liegt bei 79 Prozent. Mit anderen Worten: Es besteht eine geschlechtsspezifische Beschäftigungslücke von zwölf Prozent. Der Euro­ päische Sozialfonds (ESF) gilt als Mittel, die Ar­ beitsmarktbeteiligung der Frauen zu erhöhen. Auch wenn im Laufe der Zeit mehr Frauen Zugang zum Ar­ beitsmarkt erlangt haben, liegt die Last der privaten und pfle­ gerischen Pflichten, der unbe­ zahlten Arbeit, immer noch weitgehend bei ihnen. Die Erhöhung der Arbeitszeit von Frauen führt nicht automatisch zu einer ausgewogeneren Auf­ teilung der Haus- und Betreu­ ungsarbeit zwischen Frauen und Männern. Insgesamt ar­ beiten Frauen mehr, wenn man die Zeit für unbezahlte Arbeit, also tägliche häusliche Pflich­ ten, einschließlich Pflege, addiert. Frauen sind zunehmend gut qualifiziert: Mehr Frauen als Männer machen in Europa ei­ nen Hochschulabschluss. Den­ noch fühlen sich viele Frauen nicht so frei in ihrer Berufs­ wahl oder erhalten nicht die gleichen Jobchancen wie Män­ ner. Das liegt oft an ihren Ver­ pflichtungen als Elternteil oder als Betreuerin von Familienan­ gehörigen. Aus demselben Grund arbeiten Frauen häufi­ ger als Männer in Teilzeitjobs. Außerdem beeinflussen Ge­ schlechterstereotype in allen Lebensbereichen sehr stark die Wahl der Arbeit und wie sie diese mit dem Privatleben vereinbaren können. Sie sind die Wurzel der beruflichen, sektoralen, zeitlichen und hie­ rarchischen Segregation zwi­ schen Frauen und Männern. Die stereotype Aufteilung von Sorgearbeit wirkt sich auf Frauen und ihre Karriere­ wege äußerst nachteilig aus. Die damit oft verbundene Entscheidung, lediglich in Teilzeit zu arbeiten, hat nicht nur Auswirkungen auf ihre Karrieremöglichkeiten, son­ dern letztendlich auch auf ihr lebenslanges Einkommen, einschließlich ihrer Rente. Erwerbstätigkeit ist der beste Weg, um Frauen wirtschaftlich zu stärken. Deshalb ist es not­ wendig, die Arbeitsmarktbetei­ ligung von Frauen zu erhöhen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Wahl ihrer Ausbil­ dung und ihres Berufs frei und selbstbestimmt zu treffen. Der Europäische Sozialfonds (ESF) stellt ein Mittel dar, um die Gleichstellung der Ge­ schlechter in der EU zu errei­ chen und somit unter anderem auch die Arbeitsmarktbeteili­ gung der Frauen zu erhöhen. Die im ESF verankerten Quer­ schnittsziele sollen bei der Um­ setzung der Programme und Vorhaben in den jeweiligen Po­ litikbereichen Berücksichtigung finden. In der Förderperiode im Zeitraum von 2014 bis 2020 wurden drei Querschnittsziele in den Mittelpunkt gestellt. Zum einen die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern, zum anderen die För­ derung der Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung so­ wie die Förderung der nachhal­ tigen Entwicklung. Gemäß der ESI-Verordnungen müssen bei der Vorbereitung und Durchführung von ESF- Maßnahmen Überlegungen zur Gleichstellung der Geschlechter berücksichtigt und gefördert werden. Nach Art. 7 der ESF-­ Verordnung ist es notwendig, die langfristige Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben zu er­ höhen und ihre beruflichen Qua­ lifikationen zu verbessern, um eine „Feminisierung der Armut“ zu verhindern. Darüber hinaus gilt als Ziel, geschlechtsspezifi­ sche Segregation abzubauen, Geschlechterstereotype auf dem Arbeitsmarkt sowie in der allgemeinen und beruflichen Bildung zu bekämpfen und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für alle sowie eine gleichberechtigte Verteilung der Betreuungspflichten zwischen Männern und Frauen zu fördern. Um die Gleichstellung der Ge­ schlechter bestmöglich im Rah­ men der durch den ESF ermög­ lichten Vorhaben zu erreichen, wurde eine Doppelstrategie aus spezifischen Maßnahmen und einem integrierten Gleich­ stellungsansatz (Gender Main­ streaming) umgesetzt. Gender Mainstreaming ist eine Strate­ gie, die das Ziel der Gleichstel­ lung von Männern und Frauen verfolgt, indem in allen Politik­ bereichen und Handlungsfel­ dern konsequent auf eine gleichberechtigte Perspektive geachtet wird. Dies bedeutete für den ESF, dass Gender Main­ streaming auf allen Ebenen der Analyse, Zielsetzung und Pla­ nung, Umsetzung, Überwa­ chung und Evaluierung ein­ bezogen wurde. Milanie Kreutz, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, sagt hierzu: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein Grundpfeiler des Wertesys­ tems der Europäischen Union. Wir erachten es als wichtiges Zeichen, dass die Förderung der Gleichstellung zu einem Quer­ schnittsziel des Europäischen Sozialfonds ernannt wurde. Dennoch brauchen wir auf eu­ ropäischer Ebene mehr Tempo beim Thema Gleichstellung. Zahlreiche Studien belegen, dass Frauen besonders mit den Auswirkungen der COVID- 19-Pandemie zu kämpfen hat­ ten.“ Kreutz betont, dass eine Rückwärtsrolle aufgrund der Krise fatal wäre. Deshalb sei es höchste Zeit, dass die Kom­ mission handelt und unter an­ derem Gender Budgeting im neuen EU-Haushalt einführt. „Letztendlich sind aber auch die Mitgliedstaaten in der Pflicht, endlich weitreichende Maßnahmen auf nationalstaat­ licher Ebene wirksam zu etab­ lieren“, so Milanie Kreutz. en Model Foto: Syda Productions/Colourbox.de 31 > dbb magazin | Juli/August 2021

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