dbb magazin 7-8/2021

europa 2014 bis 2020 erreichte der ESF EU-weit bereits rund 20 Millionen Menschen Wodurch zeichnet sich die ESF- Förderperiode ab 2021 aus? Jörg Wojahn: In der Förderperiode 2021 bis 2027 wird der neue Europäi­ sche Sozialfonds, der ESF Plus, noch stärker auf das sozialere Europa ausgerichtet. ESF Plus wird den bisherigen ESF, den bisherigen Europäischen Hilfs­ fonds für die am stärksten be­ nachteiligten Personen (EHAP), die Jugendbeschäftigungsini­ tiative (YEI) und das EU-Pro­ gramm für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI) unter einem Dach zusammenfassen. Wie bewerten Sie den Einfluss des ESF auf die Beschäftigungs- chancen der Bürgerinnen und Bürger in Europa? In der aktuellen Förderperiode 2014 bis 2020 konnte der ESF EU-weit bereits rund 20 Millio­ nen Menschen erreichen, die ohne Beschäftigung oder inak­ tiv waren, rund zehn Millionen Angehörige benachteiligter Gruppen unterstützen und mehr als 520000 kleine und mittlere Unternehmen för­ dern. Die aus dem ESF finan­ zierten Maßnahmen zielen dabei stets auf die zentralen sozioökonomischen Herausfor­ derungen in den Mitgliedstaa­ ten und Regionen. Sie spiegeln aber gleichzeitig auch die Ent­ wicklung der beschäftigungs- und sozialpolitischen Agenda der Europäischen Union wider. Inwiefern hilft der ESF dabei, den Aktionsplan zur Säule sozialer Rechte umzusetzen? Der ESF Plus unterfüttert den Aktionsplan mit praktischen Maßnahmen vor Ort. Er för­ dert beispielsweise Arbeitneh­ merinnen und Arbeitnehmer – gerade die weniger qualifi­ zierten – beim Erwerb neuer beruflicher Kompetenzen, unterstützt junge Menschen beim Übergang von der Schu­ le ins Erwerbsleben und hilft gerade Menschen aus benach­ teiligten Gruppen dabei, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Unterstützung reicht von klei­ nen Projekten gemeinnütziger Nachbarschaftsvereine bis hin zu nationalen Projekten zur Förderung der beruflichen Bildung bei der gesamten Bevölkerung. Welche besondere Rolle spielt der ESF für Deutschland? Bei den Indikatoren der Euro­ päischen Säule sozialer Rechte schneidet Deutschland insge­ samt sehr gut ab. Dennoch gibt es auch hier Raum für Verbes­ serungen – und dabei hilft der ESF. So sind zum Beispiel die Bildungsergebnisse regional sehr unterschiedlich. Auch das Potenzial von Menschen mit Migrationshintergrund wird nach wie vor nur unzureichend genutzt. Dann ist die Teilzeit­ beschäftigungsquote für Frauen eine der höchsten in der EU, was mit einem großen geschlechtsspezifischen Lohn­ gefälle einhergeht – und mit massiven Auswirkungen auf die Pensionserwartung. Zu­ gleich bremst in manchen Re­ gionen der Mangel an qualifi­ zierten Arbeitskräften das Wachstum. Inwiefern wird die Chancen- gleichheit durch den ESF gefördert? Erwerbstätigkeit trägt zur Un­ abhängigkeit und finanziellen Sicherheit bei und verleiht den Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Ein Großteil der ESF-Mittel dient der Be­ kämpfung der sozialen Aus­ grenzung, die immer dann entsteht, wenn Einzelne oder Gruppen in ihrem täglichen Leben auf Schwierigkeiten stoßen oder diskriminiert werden. So etwa, wenn Män­ ner oder Frauen mit Behinde­ rung keine Arbeit finden, da Arbeitgeber ihre Fähigkeiten anzweifeln. Vorbestrafte, ehemalige Drogenabhängige, ethnische Minderheiten wie die Roma, Neuzuwanderer mit geringen Sprachkenntnis­ sen – all dies sind Beispiele für benachteiligte und gefähr­ dete Gruppen, die von sozia­ ler Ausgrenzung und damit einhergehender Armut be­ droht sind. Europa hat sich zum Abbau der sozialen Aus­ grenzung verpflichtet, und der ESF ist eines der wichtigs­ ten Instrumente dazu. ? nachgefragt bei ... ... Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland < Webtipp Das vollständige Interview online in den aktuellen dbb europathemen: https://bit.ly/3jx4RsX Der Europäische Sozialfonds … … (ESF) wurde 1957 mit den Römischen Verträgen ins Leben gerufen. Er ist der älteste Strukturfonds der Europäischen Union und verfolgt seitdem die Förderung der Beschäftigung, die Verringerung der sozia­ len Ausgrenzung und die Investition in Qualifikationen als Hauptziel. In einigen EU-Ländern werden durch den Fonds auch Verwaltungsre­ formen unterstützt. Der Europäische Sozialfonds+ (ESF+), der durch die Zusammenlegung des bestehenden Europäischen Sozialfonds mit dem EU-Fonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) und dem EU-Programm für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI) im Jahr 2021 entstanden ist, ist das wichtigste Finanzinstru­ ment der Europäischen Union zur Unterstützung der Beschäftigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Die ESF+-Ausga­ ben belaufen sich auf rund zehn Prozent des Gesamtbudgets der EU. < Dr. Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland © EU-Kommission 2021 30 dbb > dbb magazin | Juli/August 2021

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