dbb magazin 5/2021

dbb dialog Jahren war der politische Main­ stream, dass der Staat nicht all­ zu viel kosten darf.“ < von Notz: Verwaltung Grundlage für funk­ tionierenden Staat Konstantin von Notz, Frakti­ onsvize von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, zeigte sich „als Bürger latent unzufrie­ den“ über den Bürokratieab­ bau. Er werde gerne gepredigt, ohne dass viel passiere. Der „harte Kern“ von Bürokratie­ abbau sei Rechtsstaatlichkeit. „Die Menschen müssen dem Vertrauen können, was die Politik anstößt.“ Nicht zuletzt seien viele Digitalisierungspro­ jekte letztlich ammangelnden Vertrauen der Bevölkerung gescheitert. Daher dürften der Anspruch an Rechtsstaatlich­ keit und gleichförmiges Ver­ waltungshandeln nicht unter dem Bürokratieabbau leiden. „Unsere öffentliche Verwal­ tung ist eine der Grundlagen dafür, dass in Deutschland viele Dinge gut laufen“, so von Notz, der als Beispiel den Datenschutz heranzog. Dieser schütze in Deutschland „höchstrangige Güter wie die Menschenwürde. Er verhindert Überwachung, Diskriminierung und Social Scoring, und das geht nur mit klaren rechtsstaatlichen Re­ geln. Daten dürfen nicht diskri­ minieren. Daher muss unsere Erzählung von Digitalisierung auch eine andere sein als die von Ländern, in denen Daten­ schutz und Rechtsstaatlichkeit keine so große Rolle spielen“, zeigte sich von Notz überzeugt. Das Beratungsbusiness in der öffentlichen Verwaltung beur­ teilte von Notz sehr kritisch. Externe Beratung diene oft dazu, politische und Verwal­ tungsprozesse auszulagern, statt unangenehme Entschei­ dungen selbst zu treffen. Digitalisierungsprojekte müss­ ten mit den Leuten vor Ort um­ gesetzt werden und Akzeptanz in der Bevölkerung finden. „Am Ende sprechen wir hier aber auch über kulturelle Unterschie­ de zu anderen Ländern, denn nach zwei Diktaturerfahrungen gibt es eine gewisse Skepsis ge­ genüber Digitalisierungsprojek­ ten und das ist per se nichts Schlechtes.“ Für die Zukunft der Digitalisierung wünschte sich der Netzpolitiker, mit prakti­ schen Einzelprojekten zu begin­ nen, diese rechtsstaatlich ein­ wandfrei auszugestalten und dann darauf aufzubauen. „Dann kommt man auch zu was.“ Die Idee eines Digitalministers, wie sie bereits früher im Bun­ destag diskutiert wurde, mutet nach Auffassung des Netzpoliti­ kers heute kurios an. „Digitale und analoge Politik können nicht voneinander getrennt wer­ den. Aber es braucht jemanden, der für das Gesamtbild verant­ wortlich sein will.“ Ein Grund­ problem der Digitalisierung in Deutschland sei, dass es an Kon­ sistenz in der Planung und Um­ setzung von Digitalstrategien fehle. Statt eines Digitalminis­ ters forderte von Notz einen „Koordinator am Kabinettstisch, der Verantwortung übernimmt.“ So könne zudem verhindert wer­ den, dass Beschäftigte, die Digi­ talisierungsprojekte umsetzen, demotiviert werden. „Ich kann das auch konkret machen: In der viertstärkstenWirtschaftsnati­ on kann es nicht sein, dass eine Bundeskanzlerin damit koket­ tiert, Digitalisierung sei Neu­ land.“ < Behrendt: Digitalisie- rung kein Selbstzweck Britta Behrendt, die im Bundes­ ministerium des Innern, für Bau und Heimat für das Online­ zugangsgesetz und E-Govern­ ment zuständig ist, machte deutlich: „Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie liefert dem Staat vielmehr die Mög­ lichkeit, seine Aufgaben besser und effizienter zu erledigen. Zudem steckt in ihr großes Po­ tenzial, uns näher an die Bürge­ rin und den Bürger zu bringen. Doch müssen wir uns auch fra­ gen, welches Staatsverständnis wir haben und wie wir Transpa­ renz schaffen und Bürgerbetei­ ligung ermöglichen können.“ Nach Auffassung Behrendts steckt die Bundesverwaltung derzeit inmitten eines Kultur­ wandels: „Jedes Ministerium hat zwar eine digitale Abteilung, doch zugleich stecken unsere Strukturen noch in der altherge­ brachten Silo-Organisation fest, die schon vor 200 Jahren exis­ tierte. Wir brauchen eine viel stärkere übergreifende Vernet­ zung. Und müssen uns stärker darüber austauschen, was gut gelaufen ist und was nicht.“ < Constanze Abratzky moderierte den dbb dialog „Digitalisierung“. Eingangs hatte dbb Chef Ulrich Silberbach in einem Impulsvor­ trag wichtige Themen skizziert. < Konstantin von Notz < Britta Behrendt © Jan Brenner (6) 15 dbb > dbb magazin | Mai 2021

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