dbb magazin 5/2021

Kontaktverfolgung per Fax, Warn-App ohne Wumms – die Pandemie legt aus Sicht von Kritikern digitales Staatsversagen schonungslos offen. „Wir brauchen einen Staat, der gegen globale Krisen gewappnet ist, die mit voller Wucht auch auf die Menschen in Deutschland durchschlagen“, sagte der dbb Bundesvorsit­ zende Ulrich Silberbach im dbb dialog am 26. April 2021 zum Thema: „Zu teuer, zu langsam, zu unkoordiniert: Wie kann die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung doch noch gelingen?“ Auf der digitalen Veranstaltung mit Vertreter(innen) aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft sagte Silberbach, der Kompetenzwirrwarr zwi­ schen Bund, Ländern und ver­ schiedenen Behörden behin­ dere die Digitalisierung. Ein Beispiel dafür seien die Gesund­ heitsämter: Anfang Februar hatten 151 der 376 Gesund­ heitsämter die Corona-Soft­ ware „Sormas“ genutzt, mit der Kontakte von Corona-Infizier­ ten effizienter nachverfolgt werden sollen. Der dbb hat mit Mitarbeitern von Gesundheits­ ämtern über die Arbeitsabläufe gesprochen. „Das Ergebnis ist ernüchternd“, so Silberbach. Ein Mitarbeiter schilderte, er müsse in der digitalen Akte an 16 ver­ schiedenen Stellen den Namen einer infizierten Person einge­ ben. „Das hat nichts mit smar­ ter Digitalisierung zu tun.“ < Datenschutz und Corona-Warn-App Datenschutz sei wichtig, sagte Silberbach. „Aber bei den ent­ scheidenden Daten im Kampf gegen das Coronavirus über­ treiben wir es in Deutschland derzeit damit.“ Die Gesund­ heitsgefahren seien größer als die Risiken einer automatischen Weitergabe zentraler Infos: Wurde jemand positiv getes­ tet? Wo war sie oder er seither? „Millionen Menschen lassen es rund um die Uhr ohne Beden­ ken zu, dass die Google-Dienste etwa bei der Standortermitt­ lung diese Daten absaugen.“ Aber bei der Corona-Warn-App gebe es keine Lokalisierung der Nutzer. „Wenn die Menschen nicht selbst eingeben, wenn sie positiv getestet wurden, bringt sie nicht mehr als ein Brief­ beschwerer“, sagte Silberbach gegenüber der dpa. < Vernetzung Silberbach wies auf eine wei­ tere große Schwachstelle für Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung hin. „Es gibt keine standardisierte Möglich­ keit für die unterschiedlichen Behörden, sich schnell zu vernetzen und die nötigen Stammdaten auszutauschen, wenn jemand zum Beispiel einen Antrag auf Elterngeld oder andere Leistungen stellt. Hierfür wäre es nötig, den Bürgerinnen und Bürgern eine ID-Kennung zuzuweisen, diese in den Datensätzen bei allen Behörden hinzuzufügen und den unterschiedlichen Dienst­ stellen dann in vorher fest­ gelegten und transparent nachvollziehbaren Fällen zu erlauben, diese Daten zu be­ nutzen.“ Das solle nun zwar mit der Steuer-Identifikations­ nummer auch passieren. Der Bundesrat hatte Anfang März ein entsprechendes Gesetz ver­ abschiedet. Silberbach meinte aber, es komme reichlich spät. „Dazu kommt, dass wir in Deutschland digitale Tools meist erst einsetzen, wenn sie zu 110 Prozent geprüft sind“, stellte Silberbach fest. „In der Zwischenzeit kommen von allen möglichen Seiten Wün­ sche, was das Instrument un­ bedingt noch können muss oder keinesfalls darf.“ Bis es dann wirklich starte, sei es meist technisch schon veraltet oder so überfrachtet, dass es gar nicht richtig funktioniere. Mit Spannung erwartet der dbb, welche Prioritäten die Parteien im beginnenden Bundestags­ wahlkampf setzen. Silberbach meinte: „In den vergangenen dbb dialog dbb dialog – Digitalisierung Wie der Staat digitaler werden kann 14 dbb > dbb magazin | Mai 2021

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