dbb magazin 1-2/2021

urteil des monats Arbeitsrecht Wann verjähren Urlaubsansprüche? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zur Klärung der Frage, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub der Verjährung unterliegt, ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europä- ischen Union gerichtet (BAG, Beschluss vom 29. September 2020, Aktenzeichen 9 AZR 266/20 [A]). Die Klägerin war von 1996 bis 2017 bei der Beklagten als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäf­ tigt. Ihr Anspruch auf Erho­ lungsurlaub belief sich auf 24 Arbeitstage pro Kalenderjahr. Der Beklagte bescheinigte der Klägerin mit Schreiben vom 1. März 2012, dass der „Rest­ urlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr 2011 sowie den Vorjahren“ nicht am 31. März 2012 verfällt, da sie den Urlaub aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens in der Kanzlei nicht hätte neh­ men können. Von 2012 bis 2017 gewährte der Beklagte der Klägerin an insgesamt 95 Arbeitstagen Urlaub. Nach dem Ende der Beschäftigung zahlte er eine Urlaubsabgel­ tung für nicht genommene Urlaubstage im Jahr 2017. Daraufhin erhob die Arbeit­ nehmerin 2018 Klage und ver­ langte eine Ab­ geltung von weite­ ren 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren. Der Beklagte mach­ te im Laufe des Prozesses die Einrede der Verjährung unter Berufung auf die dreijährige Verjährungsfrist geltend. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf folgte dieser Auf­ fassung nicht. Vielmehr gab es der Klage statt und verurteilte den Beklagten zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen. Der Be­ klagte legte Revision beim BAG ein, das zunächst der Argu­ mentation des LAG Düsseldorf folgte. Danach erlischt nach richtlinienkonformer Ausle­ gung des § 7 Abs. 3 Bundes­ urlaubsgesetz (BUrlG) der An­ spruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Endes des Kalen­ derjahres, wenn Arbeitgeben­ de ihre Arbeitnehmenden kon­ kret aufgefordert haben, ihren Urlaub rechtzeitig im Urlaubs­ jahr zu nehmen und gleichzei­ tig darauf hingewiesen haben, dass dieser anderenfalls ver­ fallen kann. Fraglich bleibt, ob eine Regelverjährung von Urlaubsansprüchen gemäß §§ 194, 195 BGB nach drei Jah­ ren grundsätzlich in Betracht kommt. Vor diesem Hinter­ grund hat das BAG den Euro­ päischen Gerichtshof um Vor­ abentscheidung über die Frage ersucht, ob es mit europäi­ schem Recht im Einklang steht, wenn der Anspruch auf bezahl­ ten Jahresurlaub, der aufgrund unterlassener Mitwirkung des Arbeitgebers nicht bereits nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen konnte, gemäß §§ 194, 195 BGB der Verjährung unterliegt. Urteil des Monats Model Foto: Colourbox.de 39 dbb > dbb magazin | Januar/Februar 2021

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