dbb magazin 11/2020

STANDPUNKT frauen << Die Autorin . . ist seit Juni 2020 Vor­ sitzende der dbb bundes­ frauenvertretung. Diversity Management ist kein Synonym für Frauenförderung Frauen sind keine Aushängeschilder Es gibt leider immer noch viele Unternehmens­ vorstände und Behördenleitungen, die meinen, Diversity in ihrer Unternehmenskultur bereits zu leben, sobald sie nur eine weibliche Spitzenkraft im Vorstand untergebracht haben. Das entbehrt nicht nur jegli­ cher Logik, sondern lenkt vom eigentlichen Ziel von Diversity Management ab: eine demo­ kratisch inklusive Arbeitskultur schaffen, die allen Gruppen unabhängig von Alter, sozialer und ethnischer Herkunft, Bio­ grafie, persönlicher Lebenssitu­ ation, sexueller Orientierung, geistigen und körperlichen Fähigkeiten, religiöser Welt­ anschauung und – ja, auch – unabhängig vom Geschlecht gleiche Teilhabe ermöglicht. Nur wenn wir Vielfalt in die­ sem Sinne verstehen und för­ dern, können Unternehmen und Organisationen auf Her­ ausforderungen des demogra­ fischen Wandels reagieren, Kreativität fördern und die Summe menschlicher Unter­ schiede zu ihrem Vorteil nut­ zen. Ganz wichtig dabei ist aber: Diversity Management ist kein Synonym für Frauen­ förderung. << Frauen oder die Hälfte der Bevölkerung Mit einem Bevölkerungsanteil von etwas über 50 Prozent sind Frauen in Deutschland in der Mehrheit. Umso merkwürdiger ist es, wenn die Hälfte der Be­ völkerung im Zuge des Vielfalts­ managements in einen Topf mit anderen Gruppen geworfen werden, die echte Minderheiten in unserer Gesellschaft darstel­ len. Denn das verwässert beide Themen – Diversity und Frau­ enförderung. Frauen stellen keine homogene Gruppe dar. Sie gehören oft­ mals zu einer oder gar mehre­ ren Minderheiten (Seniorinnen, Menschen mit Migrationshin­ tergrund, Behinderte et cetera) und können dementsprechend auch intersektionell diskrimi­ niert und ausgegrenzt werden. Umso wichtiger ist es, den Be­ griff der Frauenförderung klar vom Vielfaltsmanagement ab­ zugrenzen. Beide Konzepte sind elementare Bestandteile einer umfassenden Organisa­ tions- und Personalpolitik. Sie ergänzen sich, ohne in direk­ temWettbewerb zueinander zu stehen. << Ein gutes Team: Frauenförderung und Diversity Management Frauenförderung zielt darauf ab, die im Grundgesetz unter Art. 3 festgeschriebene Gleich­ berechtigung zwischen Mann und Frau umzusetzen. Das heißt, Frauen und Männer müssen die gleichen Entwick­ lungschancen, aber auch der gleichberechtigte Zugang zu Ressourcen und Entscheidungs­ gewalt in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft einge­ räumt werden. Hier sind wir längst noch nicht am Ziel. Frau­ enförderung und Gleichstel­ lung sind in diesem Sinne also Grundvoraussetzungen dafür, dass ein nachhaltiges Vielfalts­ management überhaupt erfol­ gen kann. Denn Diversity Management ist ein Begriff, der seinen Ursprung in der Unterneh­ mensentwicklung hat. Die Motivation dahinter ist es, die Individualität eines jeden Mitmenschen im Kontext ei­ nes bestimmten Systems in den Vordergrund zu stellen. Hier geht es nicht nur um die Kategorien Geschlecht oder Herkunft. Diversity steht vielmehr für eine Vielfalt des Denkens und dafür, Raum für unterschiedliche Meinungen und Mentalitäten zu schaffen. Wollen wir also eine vielfälti­ ge integrative Gesellschaft fördern, darf Frauenförde­ rung nicht als Teil von Diver­ sity Management gesehen werden. Beide Ansätze müs­ sen unabhängig voneinander verfolgt werden. << Vielfalt als Erfolgsrezept Aber wie fördern wir nun Min­ derheiten richtig, ohne den in der Verfassung geregelten Gleichstellungsgrundsatz aus den Augen zu verlieren? Anfan­ gen müssen wir damit, nicht nur einzelne Frauen auszu­ wählen, ihnen unsere eigenen (oftmals patriarchalischen) Idealvorstellungen einer Füh­ rungskraft aufzudrängen und sie dann stolz als Diversity-Aus­ hängeschild zu präsentieren. Stattdessen müssen wir anfan­ gen, die persönlichen und ideel­ len Unterschiede zwischen Mit­ arbeiterinnen und Mitarbeitern gezielt zu suchen und strate­ gisch im Arbeitskontext einzu­ setzen. Der öffentliche Dienst hat hier mindestens genauso viel Auf­ holbedarf wie die Privatwirt­ schaft. Wir brauchen mehr Vielfalt im öffentlichen Dienst, ummit den kontinuierlichen Veränderungen in Technologie und Kultur Schritt halten zu können. Der personelle Blick über den Tellerrand würde uns auch dabei helfen, demmassi­ ven Fachkräftemangel effektiv entgegenzuwirken. Bis 2030 rechnet der öffentliche Sektor mit über 800000 fehlenden Fachkräften. Wenn wir nicht aus unserer passiven und re­ aktiven Personalstrategie in einen aktiven und voraus­ schauenden Modus kommen, werden wir für uns wichtige Zielgruppen nicht erreichen können. Um dem starken Sog von Routi­ nen und tradierten Strukturen zu entkommen, müssen andere Meinungen und lebendige Dis­ kussionen nicht nur toleriert, sondern gezielt gefördert und integriert werden. Jetzt ist der Zeitpunkt, uns mit einer nach­ haltigen, ressortübergreifen­ den Gleichstellungspolitik und gezieltem Diversity Manage­ ment zu verändern, bevor ge­ sellschaftliche Veränderungen uns einholen. Milanie Kreutz Model Foto: Colourbox.de 27 > dbb magazin | November 2020

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