dbb magazin 10/2020

senioren Aktionstag „Pflegende Angehörige“ Mehr Unterstützung erforderlich Pflege in Deutschland lebt auch vom Engagement der Angehörigen. Über 2,6 Millionen Menschen werden mittlerweile zu Hause versorgt, das ent­ spricht drei Vierteln aller Pflegebedürftigen. Der dbb fordert, die Angehörigen bei dieser Aufgabe besser zu unterstützen. „Es sind alleine die Angehöri­ gen, die den Pflegebedürfti­ gen ihren häufig größten Wunsch erfüllen können: nicht in ein Heim umziehen zu müssen, sondern in ihrem vertrauten Umfeld bleiben zu können“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 8. September 2020, dem Aktionstag „Pfle­ gende Angehörige“. „Aber die Pflege in den eigenen vier Wänden ist für alle Be­ teiligten natürlich auch eine große Herausforderung, des­ halb brauchen die Familien vom Staat mehr Hilfe und Unterstützung.“ Gerade während der Corona- Pandemie habe sich gezeigt, dass beispielsweise die externe Hilfe von Pflegediensten bei der Morgenwäsche aufgrund der Kontakteinschränkungen schlicht entfallen musste. Die dafür vorgesehenen Entlas­ tungsbeträge konnten deshalb vielfach nicht verwendet wer­ den. Horst Günther Klitzing, Vorsitzender der dbb Senioren, erklärte dazu: „Wir haben uns dafür eingesetzt, dass diese Beträge nicht verfallen, son­ dern ins Folgejahr übertragen werden können. Die entspre­ chende Regelung soll jetzt auch erneut verlängert wer­ den. Das hilft ungemein, auch wenn wir uns diesbezüglich mehr Aufklärung durch die Pflegekassen wünschen wür­ den.“ Darüber hinaus engagiert sich der dbb als ständiges Mitglied im von der Bundesregierung eingesetzten Beirat zur Verein­ barkeit von Pflege und Beruf – und erarbeitet in dieser Funk­ tion gerade ein Konzept für eine steuerfinanzierte Ent­ geltersatzleistung, angelehnt an die Regelungen im Eltern­ geld- und Elternzeitgesetz. Es soll zur finanziellen Absiche­ rung von Menschen beitragen, die einen befristeten (Teil-) Ausstieg aus dem Berufsleben erwägen, um einen Angehöri­ gen zu Hause zu pflegen. „Die derzeitige Möglichkeit, ein un­ verzinstes Darlehen zu erhal­ ten, das man im Anschluss an eine Teilzeitphase abstottern muss, ist de facto keine Opti­ on. Deshalb machen wir uns für eine prozentuale Entgelter­ satzleistung stark. Damit wür­ de auch ein wichtiger Schritt unternommen, um Altersar­ mut zu verhindern. Denn bei der bisherigen rentenrechtli­ chen Berücksichtigung der An­ gehörigenpflege ist noch viel Luft nach oben“, so dbb Chef Silberbach. Das unterstützt auch Milanie Hengst, Vorsitzende der dbb frauen: „Nach wie vor sind es größtenteils Frauen, die sich um pflegebedürftige Angehöri­ ge kümmern. Mit Entgeltpunk­ ten zur Erhöhung der Renten­ anwartschaft bekämpfen wir jedoch nur die Symptome. Um den Ursachen zu begegnen, braucht es dringend Anreize für mehr Partnerschaftlichkeit in der häuslichen Pflege.“ Neben den Pflegenden und ihren Angehörigen entlastet die Versorgung zu Hause auch das ohnehin knappe Personal in den Pflegeeinrichtungen. „Und diejenigen, die jetzt wie­ der jammern und zetern, was das alles kosten wird, sollten sich bewusst machen, dass die Pflege in den eigenen vier Wänden immer noch wesent­ lich günstiger als die vollstati­ onäre Unterbringung ist. Ein weiterer Grund, am heutigen Tag den Frauen und Männern, die einen lieben Angehörigen zu Hause versorgen, auch ein­ fach mal Danke zu sagen“, so Silberbach. Model Foto: Phovoir / Colourbox.de << 30 Jahre Wiedervereinigung Alterseinkommen bleiben uneinheitlich Es gibt auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch keine Renteneinheit in Deutschland. Der Jahresbericht zum Stand der Einheit 2020 und mehrere Studi­ en des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigen, dass sich die Erwerbstätigkeit und das Renteneinkommen zwar angeglichen haben, aber noch lange nicht einheitlich sind. „Rentnerinnen und Rentner im Osten erreichen beim Haushalts­ nettoeinkommen seit Jahrzehnten nur 80 Prozent des Westni­ veaus. Ich sehe das als außerordentlich problematisch an, da sich die Lebenshaltungskosten sehr viel schneller als die Renten anglei­ chen“, sagte Horst Günther Klitzing, Vorsitzender der dbb bundes­ seniorenvertretung, am 17. September 2020. Erst ab 2025 erfolge die Rentenanpassung für Ost- und West­ deutschland auf Grundlage der gesamtdeutschen Lohnentwick­ lung. „Wir beklagen seit Jahren, dass das viel zu spät ist“, so Klit­ zing weiter. Die Ergebnisse der DIW-Studien belegen, dass die Westdeutschen bisher insgesamt sehr viel höhere Alterseinkommen beziehen. Diese setzen sich insbesondere aus privaten und betrieblichen Renten sowie Einnahmen aus Vermögen zusammen. Die ostdeut­ schen Rentnerinnen und Rentner beziehen höhere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, auch weil sie mehr Beitrags­ jahre aufweisen, vor allem die Frauen. Den heutigen Rentnerinnen und Rentnern, die vor allem in der DDR erwerbstätig waren, fehlte meist die Möglichkeit, zusätzlich Vermögen oder private Renten­ anwartschaften aufzubauen. 32 dbb > dbb magazin | Oktober 2020

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