dbb magazin 10/2020

akademie Gestärkt aus der Krise Lehren aus Homeoffice und mobilem Arbeiten rechtssicher umsetzen Durch Corona haben sich die Ereignisse und Entwicklungen überschlagen. Vor allem beim mobilen Arbeiten überholte die Realität eigentlich vorab zu treffende Regelungen. Wo grundsätzlich der Personalrat das Recht auf Beteiligung hat, musste aus der Not heraus ohne rechtliche Basis gehan­ delt werden. In den Dienststel­ len wurde manches getestet und gelebt, was vorher nicht denkbar war. Viele Kollegen und Vorgesetzte haben dabei auch positive Seiten am Arbei­ ten von zu Hause entdeckt. Weniger Pendeln bedeutet weniger Zeitaufwand und Stress. Manche Arbeiten las­ sen sich daheim effektiver durchführen als im Großraum­ büro. Andererseits werden auch negative Erfahrungen im Homeoffice gemacht: Stich­ wort „permanente Erreichbar­ keit“ oder „soziale Isolation“. Wie kann sich der Personalrat daran beteiligen, dass diese so mühsam gewonnenen Erkennt­ nisse und die neuen Möglich­ keiten nicht verloren gehen? Wie setzt man die aus der Krise mitgenommenen neuen Gege­ benheiten zumWohle der Be­ schäftigten rechtssicher um? Grundsätzlich ist der Ort der Arbeitsleistung Sache des Ar­ beitsvertrages, also individuell auszuhandeln zwischen Arbeit­ nehmer und Arbeitgeber. Die Personalvertretung kann daher kein Recht auf Homeoffice für die Beschäftigten der Dienst­ stelle initiieren. Ebenso wenig kann dies einseitig von der Dienststellenleitung angeord­ net oder vom Beschäftigten eingefordert werden. Es bedarf hier einer Einigung. Bezüglich der Ausgestaltung ist dann der Personalrat gefragt. Zunächst sollten Bedarf und Ziele konkretisiert werden, in­ dem Erfahrungen, Wünsche und Befürchtungen der Kolle­ gen gesammelt werden. Coro­ nabedingt wurden mit den no­ vellierten §§ 37 III und 43 III BPersVG die gesetzlichen Vor­ aussetzungen für Online-Perso­ nalratssitzungen beziehungs­ weise Online-Sprechstunden geschaffen. Damit besteht ohne physische Anwesenheit die Möglichkeit, Erfahrungen und Wünsche der Kollegen aus­ zutauschen genauso wie Prob­ leme zu diskutieren. Dann sind die verschiedenen Begriffe zu unterscheiden: >> Telearbeit (umgangssprach­ lich „Homeoffice“) ist in § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverord­ nung definiert als fest einge­ richteter Bildschirmarbeits­ platz im Privatbereich des Beschäftigten. Die Ausstat­ tung des Arbeitsplatzes er­ folgt durch den Arbeitgeber. >> Mobiles Arbeiten ist nicht le­ galdefiniert. Der Beschäftigte erbringt die Arbeitsleitung ortsunabhängig – meist mit­ tels eines von der Dienststelle zur Verfügung gestellten Lap­ tops, Handys et cetera. Soll er eigene Arbeitsmittel nutzen, wird dies als „bring your own device“ bezeichnet. >> Alternierend sind Telearbeit beziehungsweise mobiles Ar­ beiten, wenn die Arbeitsleis­ tung auch in der Dienststelle erfolgt. Bei Telearbeit wird dem Be­ schäftigten ein fester Arbeits­ platz zu Hause eingerichtet. Hier hat der Personalrat umfangrei­ che Mitbestimmungsrechte, da es sich um die „Gestaltung des Arbeitsplatzes“ gemäß § 75 III Nr. 16 BPersVG in Verbindung mit der Arbeitsstättenverord­ nung handelt. Wird den Mitarbeitern hinge­ gen ungeachtet des konkreten Ortes angeboten, irgendwo au­ ßerhalb des Büros zu arbeiten, handelt es sich ummobiles Ar­ beiten. Dies löst kein Mitbe­ stimmungsrecht gemäß § 75 III Nr. 16 BPersVG aus, da es nicht um einen konkreten Arbeits­ platz geht. Der Personalrat hat hier ande­ re Mitbestimmungsrechte. So kann er bezüglich der Lage und der Erfassung der Arbeitszeit gemäß § 75 III Nr. 1 oder BPers­ VG mitgestalten. Zum Beispiel kann er sich dafür einsetzen, dass ab 20 Uhr nicht mehr ge­ arbeitet werden darf oder Tä­ tigkeiten unter einer halben Stunde nicht erfolgen dürfen („kurz mal die Mails checken“). Gemäß § 75 III Nr. 17 BPersVG besteht ein Mitbestimmungs­ recht bei Einführung und An­ wendung von technischen Ein­ richtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Dieser Tatbe­ stand eröffnet gerade beim Homeoffice/mobilen Arbeiten oft Mitbestimmungsmöglich­ keiten. Durch die Rechtspre­ chung wurde er so ausgelegt, dass der Wortlaut „dazu be­ stimmt“ fast ins Gegenteil verkehrt wird. Es soll ausrei­ chen, wenn eine technische Einrichtung rein faktisch dazu geeignet ist, eine Überwa­ chung durchzuführen. Eine In­ tention der Dienststellenlei­ tung, dies auch entsprechend zu nutzen, ist nicht notwen­ dig. 1 Darüber hinaus fällt auch die Vernetzung bereits vorhande­ ner Anlagen oder Programme 1 BVerwG 16. Dezember 1987 PersR 1988, 51; BVerwG 23. September 1992, 6 P 26/90. © apinan / AdobeStock 22 > dbb magazin | Oktober 2020

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