dbb magazin 10/2020

hintergrund Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes Helfer dürfen nicht zu Opfern werden Über Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes berichten die Medien regelmäßig. Es ist vor allem dem Engagement der Gewerkschaften zu verdanken, dass die Sensibilität für das Thema gestiegen ist. Während Bund und Länder noch daran arbeiten, konkrete Zahlen in einer einheitlichen Statistik zu bündeln, haben der dbb und seine Fachgewerkschaften bereits einige Studien zum Thema veröffentlicht. Im Sommer 2019 war das The­ ma Gegenstand einer Sonder­ umfrage im Zuge der „Bürger­ befragung Öffentlicher Dienst“, die der dbb regelmäßig mit demMeinungsforschungsins­ titut forsa durchführt. 83 Pro­ zent der Menschen erleben demnach eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft. Über ein Viertel aller Befrag­ ten haben bereits Übergriffe auf Beschäftigte im öffentli­ chen Dienst beobachtet. Die Hälfte dieser Angriffe war körperlicher Art. Jeder zweite Staatsdiener ist laut Umfrage bereits Opfer solcher Vorfälle geworden. dbb Chef Ulrich Silberbach sah bereits damals „höchste Zeit zum Handeln“ und forderte Investitionen in die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen. Dabei müssten personalwirtschaftliche, bau­ liche, organisatorische und Ausrüstungsaspekte einbezo­ gen werden. Darüber hinaus sei mehr Personal für Sicher­ heit und Justiz erforderlich, damit Fehlverhalten zeitnah und spürbar sanktioniert werden könne. Als weiteren wesentlichen Aspekt bei der Bekämpfung der Folgen von Gewalt gegen Beschäftigte regte der dbb Chef an, das Instrument der Forderungsabtretung nach § 78 a des Bundesbeamten­ gesetzes auch auf Beleidi­ gungstatbestände auszuwei­ ten und auf alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst anzu­ wenden. So könnten gericht­ lich zugestandene Schadens­ ersatzansprüche vom Dienst- herrn übernommen, ausge­ zahlt und später vom Verur­ sacher eingetrieben werden. „Dann würden alle Opfer von Übergriffen echte Rückende­ ckung der Dienstherren und Arbeitgeber spüren.“ Dass ein prinzipieller Kultur­ wandel nötig ist, belegen die Studien und Forderungen aus dem Kreis der dbb Gewerk­ schaften und Landesbünde zum Umgang mit der Gewalt gegen Lehrkräfte, Polizei, Ret­ tungskräfte und Feuerwehr­ leute. Aus jeder wird deutlich, dass Beschäftigte, Politik und Bevölkerung aktiv werden müssen, wenn es zum Beispiel darum geht, Vorfälle nicht zu bagatellisieren oder falsche Scham zu überwinden, wenn es um die Meldung von Vorfäl­ len geht. << Es bewegt sich was … Die Klagen der Gewerkschaften bleiben nicht ungehört. Der Hessische Landtag zum Beispiel befasst sich aktuell mit der Pro­ blematik, und Heini Schmitt, Vorsitzender des dbb Hessen, hofft, „dass politisch Fahrt auf­ genommen wird“. Der Landes­ bund hat im Rahmen einer entsprechenden Anhörung Stellung genommen. Unterstüt­ zung erfuhr er dabei durch Prof. Britta Bannenberg vom Lehr­ stuhl für Kriminologie der Uni Gießen, die bereits im Februar 2020 mit ihrem Forschungs­ team eine Studie im Auftrag des dbb Hessen vorgestellt hat, deren bislang einmalige Detail­ liertheit ein alarmierendes ers­ tes Lagebild zeichnete. „Es muss als absolutes Alarm­ signal gelten, wenn Menschen sich nicht mehr für Ämter und Funktionen in Politik und Ge­ sellschaft zur Verfügung stel­ len, weil sie um ihr Wohlerge­ hen, ihre Gesundheit, ja ihr Leben und das ihrer Familien­ angehörigen fürchten“, so Schmitt mit Blick auf den bru­ talen Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke, den er als „bis­ lang fürchterlichsten Höhe­ punkt einer sich immer wei­ terdrehenden Gewaltspirale“ bezeichnete. Frustrierend sei, dass die tägli­ chen Beschimpfungen, Bedro­ hungen, Beleidigungen und körperlichen Angriffe gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und gegen Persönlich­ keiten in öffentlichen Ämtern der Öffentlichkeit und den zu­ ständigen Verfolgungsbehörden weitestgehend verborgen blie­ ben: „Im Gegensatz zur meist nur kurz währenden öffentli­ chen Betroffenheit sind die Fol­ gen für die Opfer oft schwerwie­ gend und langwierig, häufig ist ein ganzer Personenkreis um das Opfer herum ebenso belastet.“ © Ivan Vranić / Unsplash.com 15 dbb > dbb magazin | Oktober 2020

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