dbb magazin 10/2020

Homeoffice nicht auf alle not­ wendigen Programme und Un­ terlagen zugegriffen werden kann. Einige Arbeitsprozesse und die Ablage von Unterlagen finden zu oft noch in Papier­ form statt, sodass diese im Homeoffice nicht oder nur mit einem erhöhten Aufwand ver­ fügbar sind. Deutlich wird ebenfalls, dass oft auf private Geräte zurückgegriffen werden muss. Eine weitere Herausfor­ derung, die sich aufgrund feh­ lender technischer Infrastruk­ tur ergibt, ist das Erhalten und Weitergeben notwendiger In­ formationen, da keine ausrei­ chende Technik vorliegt, um zum Beispiel Videokonferenzen zu organisieren. Erst mit einigem Abstand wer­ den von den Befragten die wei­ teren Herausforderungen ge­ nannt, denen sie während der COVID-19-Pandemie gegen­ überstanden: mangelnder per­ sönlicher Kontakt, Kinderbe­ treuung und Homeschooling, Organisations- und Führungs­ kultur, Selbstmanagement so­ wie die Entgrenzung von Ar­ beits- und Privatleben. In Bezug auf die Defizite in der Führungskultur gaben über 80 Prozent der Befragten an, die Führungskräfte seien nicht da­ rin geschult, die Beschäftigten im Homeoffice zu unterstüt­ zen. Zudem gaben über 60 Pro­ zent an, dass das Arbeiten im Homeoffice von den Führungs­ kräften nicht vorgelebt wird. Gleichzeitig gaben über 70 Pro­ zent an, dass Strategien und Regelungen für das Arbeiten im Homeoffice bestehen, was sich auch mit den Ergebnissen der Einhaltung der Homeof­ ficeempfehlungen seitens der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) deckt. << … statt Entgrenzung Die Autoren der Studie spre­ chen sich daher für einen Kul­ turwandel aus, bei dem Füh­ rungskräfte für das Thema „Führung auf Distanz“ sensibili­ siert werden. Auch bei den Be­ schäftigten kann Entwicklungs­ bedarf bestehen. Für einen bewussten Umgang mit den Freiräumen im Homeoffice sind persönliche Fähigkeiten wie Selbstmanagement, Entschei­ dungskompetenz und Organi­ sationsfähigkeit aufseiten der Beschäftigten ausschlagge­ bend. Diese sollten, so das Fazit der Studie, auch von Führungs­ kräften und der Organisation gefördert werden, damit sich die Arbeit für die Beschäftigten auch im Homeoffice gesund­ heitsförderlich gestaltet. Die Mehrheit der teilnehmen­ den Personen wünschte sich zudem künftig eine stärke Fo­ kussierung auf ergebnisorien­ tierte Arbeit, bei der die Ar­ beitsleistung weniger an die Anwesenheit am Arbeitsplatz (Präsenzkultur) geknüpft ist, und kann sich vorstellen, auch weiterhin tageweise unter be­ stimmten Bedingungen im Homeoffice zu arbeiten. Dazu zählen beispielsweise eine funktionierende technische Infrastruktur oder Regelun­ gen zu Arbeits- und Erreich­ barkeitszeiten, sodass zum einen Mehrarbeit vermieden wird und zum anderen einer zu starken Entgrenzung des Arbeits- und Privatlebens ent­ gegengewirkt wird. Hand­ lungsempfehlungen können dabei sowohl für Beschäftigte als auch für Arbeitgeber als Hilfe gesehen werden, organi­ satorische sowie technische Rahmenbedingungen für die Arbeit im Homeoffice bezie­ hungsweise für mobiles Ar­ beiten zu verbessern. Damit entsprechen die Ergeb­ nisse der Studie im Großen und Ganzen den Positionen des dbb, die er aktuell im Zuge der Tarifverhandlungen für einen Digitalisierungs-Tarifvertrag in der Bundesverwaltung mit dem Bundesministerium des Innern vertritt. „ Wir haben die Studie der Universität Köln in­ teressiert zur Kenntnis genom­ men“, sagt dbb Fachvorstand Tarifpolitik Volker Geyer, der die Verhandlungen für den dbb leitet. „Die möglichen negati­ ven Auswirkungen der Home­ officekultur haben wir im Rahmen der Verhandlungen analysiert und sie decken sich mit den Ergebnissen der Stu­ die. Deshalb wollen wir in un­ serem Tarifvertrag Digitalisie­ rung verbindliche Regelungen treffen, die zum Beispiel die Entgrenzung der Arbeit verhin­ dern, eine ausreichende techni­ sche, vom Arbeitgeber gestell­ te Infrastruktur gewährleisten und eine Isolierung der Be­ schäftigten ausschließen.“ Die Arbeitgeber müssten an­ hand der Erkenntnis, dass eine ausgeprägte Homeofficekultur mit niedrigeren Burn-out-Sym­ ptomen einhergeht, umden­ ken: „Die mentale Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Be­ schäftigten wird durch mobile Arbeitsformen gefördert, weil sie Vertrauen in die Beschäftig­ ten zum Ausdruck bringen und ihnen ein großes Maß an Auto­ nomie und Flexibilität gewäh­ ren. Das sollte aus Arbeitgeber­ sicht Anreiz genug sein, einen Wandel von der reinen Prä­ senz- zu einer Stärkung der Homeofficekultur einzuläuten“, bekräftigt Geyer. dro vorgestellt << Digitalisierungs-Tarifvertrag für die Bundesverwaltung Die Digitalisierung verändert auch die Arbeitswelt des öffentlichen Dienstes massiv. Um diesen Prozess aktiv zu gestalten, hat der dbb mit dem Bund die Aufnahme von Tarifverhandlungen vereinbart, um verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, Digitalisierung in den Dienststellen erfolgreich umzusetzen und zugleich Schutz­ mechanismen für die von Veränderungen betroffenen Beschäftig­ ten des Bundes zu installieren. Am 18. August 2020 hat der dbb die Verhandlungen zum Digitali­ sierungs-Tarifvertrag (Digitalisierungs-TV) mit dem Bundesminis­ terium des Inneren und dem Bundesfinanzministerium fortge­ führt. In der vorhergehenden Runde hatten sich die beteiligten Parteien auf drei Themenfelder verständigt. Das Thema Qualifizie­ rung wurde bereits konkreter behandelt. Die weitere Ausgestal­ tung erfolgt in den kommenden Monaten. Die Verhandlungen werden am 16. November 2020 fortgesetzt. © Sebastian Herrmann / Unsplash.com << dbb Webtipp Die Studie der Uni Köln im Download: https://bit.ly/2RwBDvb 14 dbb > dbb magazin | Oktober 2020

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