dbb magazin 9/2020

frauen Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung Im Ganzen gedacht Es ist eine Premiere. Die Bundesregierung hat ihre gleichstellungspolitischen Ziele und Aktivitäten erstmals gebündelt und in einer Gleichstellungs- strategie zusammengefasst. Damit liefert sie einen guten Überblick über Fortschritte und Versäum- nisse bei der Gleichstellung und stellt klar: Gleich- stellung ist Aufgabe aller Bundesministerien. Es war ein Kraftakt für Bundes- frauenministerin Franziska Gif- fey, die im Koalitionsvertrag festgeschriebene nationale Gleichstellungsstrategie mit einem Kabinettsbeschluss zu besiegeln. Das Ergebnis ist zwar ein Kompromiss, hat aus Sicht der dbb frauen dennoch Signalwirkung. „Die Gleichstel- lungsstrategie ist für die Bun- desregierung eine gute Kurs- vorgabe, um verstärkt ins Handeln zu kommen. Es muss endlich Schluss sein mit dem Flickenteppich aus unter- schiedlichen Standards. Gleich- stellung ist das Kernthema, das in allen Politikbereichen eine entscheidende Rolle spielen muss“, sagt die dbb frauen- Chefin Milanie Hengst. Doch das Bekenntnis zum Handeln sieht Hengst nur als Anfang: „Jetzt muss die Gleichstel- lungsstrategie mit mehr Leben gefüllt werden.“ << Gleichstellungsbericht als Blaupause Inhaltlich orientiert sich die Gleichstellungsstrategie an den Empfehlungen des Zwei- ten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung. Hervor- gehoben wird die Notwendig- keit einer partnerschaftlichen Gleichstellungspolitik als Bei- trag zur Sicherung des wirt- schaftlichen und sozialen Fortschritts in Deutschland. Insbesondere die Auswirkun- gen der Corona-Pandemie hät- ten gleichstellungspolitische Schieflagen besonders sichtbar gemacht und gezeigt, dass Gleichstellungspolitik Deutsch- land stärker mache – auch und gerade in Krisen, heißt es in der Strategie. Dem Bundesministe- rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zufolge soll die Strategie in allen Bundes- ministerien Grundlage für die Ausgestaltung ihrer Gesetzge- bung und ihrer Förderprogram- me sein. Ihren Kern bilden neun Ziele, die entscheidend für die erfolgreiche Gleichstel- lung von Männern und Frauen sind. Eine ausführliche Hand- reichung legt dar, welche Wege bereits eingeschlagen wurden und was noch zu tun ist. << Öffentliche Verwaltung im Fokus Besonders zu begrüßen ist laut Hengst, dass die Förderung der Gleichstellung im öffentlichen Dienst als herausragendes Ziel in der Strategie formuliert wur- de. „Das ist eine zentrale For- derung der dbb frauen. Hier nehmen wir Bundesministerin Giffey beimWort, wenn sie sagt: Die Bundesbehörden ha- ben eine Vorreiterrolle. Jetzt sind die Bundesministerien ge- fordert, dieser Vorbildfunktion zu entsprechen und Tempo bei der Förderung von Frauen zu machen. Insbesondere bei der Besetzung von Führungsposi­ tionen ist noch deutlich Luft nach oben – in den obersten Bundesbehörden ebenso wie in den öffentlichen Unterneh- men. Ganz wichtig ist es, die Beurteilungs- und Beförde- rungsverfahren in den Blick zu nehmen und sie geschlechter- gerecht auszugestalten“, so die Vorsitzende der dbb bundes- frauenvertretung. Positiv wertete Hengst zudem die Absicht, die Verteilung der Steuerlast für verheiratete Paa- re und eingetragene Lebens­ partnerschaften transparenter zu machen. Dennoch greife die Gleichstellungsstrategie an dieser Stelle zu kurz. „Die vor- gesehene proaktive Aufklärung über die Nachteile der Lohn- steuerklassenwahl III/V ist ein wichtiger Schritt, darf aber nicht das Ende der Debatte sein. Was wir an dieser Stelle wirklich brauchen, ist eine ech- te Reform des Ehegattensplit- tings hin zu einem Familien- splitting.“ Offen bleibt aus Sicht der dbb bundesfrauenvertretung wei- terhin die Frage nach der Um- setzung eines geschlechter­ gerechten Bundeshaushalts. „Die gleichstellungsfördernde Wirkung von Haushaltsmitteln ist bekannt. Dieses Potenzial sollte endlich genutzt werden“, so Hengst. bas << Ziele der Gleichstellungsstrategie Allen eine eigenständige wirtschaftliche Sicherung ermöglichen • Soziale Berufe als attraktive Karrierewege etablieren • Standards in der digitalen Welt setzen • Sorgearbeit und Erwerbsarbeit für alle vereinbar machen • Mehr Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft bringen • Gleiche Teilhabe in der Demokratie erreichen • Stereotype aus Kultur und Wissenschaft verdrängen • Gleichbe­ rechtigung im öffentlichen Dienst stärken • Gleichstellung zur Aufgabe der gesamten Regierung machen www.gleichstellungsstrategie.de verlauf hingewiesen werden. Aber auch die Option, als Frau in der Verwaltung eine kom- munalpolitische Karriere an- zustreben, sollte nach Ansicht Klostermanns stärker öffent- lich thematisiert werden. „Warum nicht die Schreib- tischseite wechseln und als Bürgermeisterin durchstar- ten? Jedoch sind die Hürden für Frauen, sich kommunal­ politisch zu engagieren, vieler- orts groß. Besser gelingt es dort, wo Frauen sich gut un- tereinander vernetzen. Das müssen wir fördern“, räumt Klostermann ein. Tradierte Rollenvorstellungen, eine männlich geprägte Sit- zungskultur und Wahllisten, die männliche Kandidaturen begünstigen, hebeln politische Ambitionen von Frauen oft früh aus. dbb frauen Chefin Hengst plädiert deshalb für eine Kommunalpolitik, die den Lebensrealitäten von Frauen Raum gibt: „Frauen sollen sich ganz selbstverständlich in ei- nem kommunalen Spitzenamt engagieren können. Die paritä- tische Vergabe der Listenplätze bei Kommunalwahlen und eine familienfreundliche Sitzungs- kultur im Gemeinderat sind wichtige Punkte. Ergänzt wer- den sollte dies um ein ausge- wogenes Geschlechterverhält- nis in der Verwaltung und einer gleichstellungsorien­ tierten Stadtplanung mit gegenderten Etats.“ bas 31 dbb > dbb magazin | September 2020

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==